Miteinander heißt die neue Ferrari-Formel
Sebastian Vettel glaubt zwar nicht, dass er am Sonntag in China neuerlich siegt. Die schnelle Wiedergeburt von Ferrari überrascht dennoch.
Sebastian Vettel ist Realist. Daran, dass er seinen Sieg von vor zwei Wochen jetzt gleich beim China-GP wiederholen könnte, glaubt er nicht: „In Malaysia haben uns die hohen Temperaturen deutlich geholfen, hier ist es kühler. Da wird Mercedes wohl wieder den Ton angeben.“Doch auch wenn es für ihn in Schanghai deshalb eher darum geht, die Verfolgerrolle hinter den Silberpfeilen zu festigen: Die Tatsache, dass Ferrari nach den vielen Problemen der letzten beiden Jahre jetzt schon von Saisonbeginn an so stark ist, hat auch viele Experten überrascht. Die Hintergründe der raschen „Wiedergeburt“des italienischen Traditionsteams sind vielfältig. Die Technik: Im Bereich Motorleistung hat Ferrari einen entscheidenden Sprung nach vorn gemacht, das Triebwerk zeigt auch ein besseres Ansprechverhalten und ist leichter fahrbar. Offenbar haben die Italiener es geschafft, den im „eingefrorenen“Reglement noch vorhandenen Entwicklungsspielraum gut zu nutzen. Die Gerüchteküche munkelt, es sei sogar gelungen, die Anordnung der verschiedenen Antriebselemente zumindest teilweise zu verändern – genau in diesem Bereich liegt ja der größte Vorteil des überlegenen Mercedes-Konzepts. Außerdem scheint die Kühlung bei Ferrari effizient zu funktionieren. In Malaysia konnte man auf große zusätzliche Lufteinlässe verzichten – das wiederum hilft der Aerodynamik.
Auch das Auto an sich ist gegenüber dem des Jahres 2014 ein großer Fortschritt. Durch ver- schiedene Veränderungen vor allem im Aufhängungsbereich lenkt es präziser über die Vorderräder ein, reagiert auch sehr präzise auf der Bremse – was nicht nur Sebastian Vettel, sondern auch Kimi Räikkönen entgegenkommt. Der Finne hatte ja letztes Jahr genau aus diesem Grund massive Probleme im Vergleich zu Fernando Alonso. Vettel ärgerte sich bei Red Bull mit einer ähnlich widerspenstigen Charakteristik seines Arbeitsgeräts herum und konnte deshalb seine spe- ziellen fahrerischen Qualitäten nicht richtig ausspielen.
Noch ein Vorteil: Ferrari-Technikchef James Allison ist es offenbar gelungen, das reifenschonendste Auto im gesamten Feld zu bauen. Im Qualifying ist das gerade gegenüber Mercedes zwar eher ein Nachteil, weil es dadurch schwieriger wird, die Reifen für eine Runde optimal auf Temperatur zu bringen. Chancen auf die erste Startreihe dürften Vettel und Räikkönen unter normalen Umständen also kaum haben – die scheint vorerst für die Silberpfeile reserviert. Im Rennen kann dieser Nachteil aber schnell zum Vorteil werden – vor allem bei hohen Streckentemperaturen wie zuletzt in Malaysia. Da kam Vettel mit einem Boxenstopp weniger aus – der Schlüssel zum Sieg. Auch Kurse, die durch ihre Charakteristik die Hinterreifen grundsätzlich stark belasten, wie etwa in einer Woche in Bahrain, könnten Ferrari in die Hände spielen, Mercedes scheint hier beim diesjährigen Modell eine kleine Schwachstelle zu haben. Die Menschen: „Der größte Unterschied zwischen Ferrari 2014 und 2015 heißt Sebastian Vettel“, stellte Niki Lauda kürzlich fest. Eines ist sicher: Mit seinem Schwung, seinem Elan, seinem Einsatzwillen, aber auch seiner Persönlichkeit hat der viermalige Weltmeister die Stimmung bei den Italienern extrem zum Positiven verändert. Der „Politiker“Fernando Alonso schaffte es gerade in den letzten Jahren nie mehr, das Team so zu motivieren und mitzureißen.
Als der neue Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene im November 2014 sein Amt antrat, war sein