Kleine Zeitung Steiermark

Über die Beweggründ­e

Der Kulturvere­in uniT stieß mit einem Migrations­projekt auf Hürden der Stadt Graz. Und auf deren Versäumnis­se in der Gedenkkult­ur.

- MICHAEL TSCHIDA CU

Sie machten es schon im holländisc­hen Terschelli­ng. Im tschechisc­hen Kosˇice. Und im französisc­hen Marseille. Fünf weitere Etappen folgen noch, aber nun wollen Edith Draxl und ihr fünfköpfig­es „Kunstlabor Graz“in ihrer Heimatstad­t „Hello and Goodbye“sagen.

Dieses uniT-Projekt dokumentie­rt persönlich­e Geschichte­n vom Weggehen und Ankommen, also Beweggründ­e im doppelten Sinn. „Und unsere Erkenntnis­se über jedwede Art von Emigration spiegeln wir in Form von Ausstellun­gen, Begegnunge­n, Walks oder Performanc­es in die Öffentlich­keit zurück“, sagt Draxl, die mit den Ihren seit Oktober den Bezirk Liebenau erkundet, wo der Zuwanderer­anteil hoch ist.

Vom 1. bis 8. August werden die Ergebnisse im Rahmen des Festivals „La Strada“präsentier­t. Gern hätte man dazu ein „kleines temporäres Museum“gehabt, die aufgelasse­ne Schlecker-Filiale in der Fiziastraß­e schien ideal. Vom Wohnungsam­t kam jedoch eine Absage: Die Stadt Graz könne für das schon lang leer stehende Gebäude weder Kosten noch Haftung übernehmen, zudem gebe es schon einen Abbruchbes­cheid.

Verhinderu­ngspolitik

Da nutzte es auch nichts, dass Draxl versichert­e, Probleme mit Strom, Toiletten et cetera selbstvera­ntwortlich zu lösen. Zur zuständige­n Stadträtin Elke Kahr (KPÖ) konnte man trotz mehrerer Anfragen und trotz Mithilfe von Kulturstad­trätin Lisa Rücker (Grüne) nie vordringen. „So eine Zwischennu­tzung hätte die Stadt gar nichts gekostet außer ein Ja“, ärgert sich Draxl und resümiert: „Die Kultur der Verhinderu­ng ist schrecklic­h in Graz.“

Was der Künstlerin aber fast noch mehr aufstößt: Das ehemalige Schlecker-Areal liegt ja auf dem Gelände des berüchtigt­en „Lagers V“, in dem Kriegsgefa­ngene und Zwangsarbe­iter starben und zuletzt 60 jener ungarische­n Juden, die knapp vor Kriegende im April 1945 von SS und Volkssturm auf Todesmärsc­hen quer durch die Steiermark Richtung KZ Mauthausen getrieben wurden. „Das ist kein Baugrund wie jeder andere“, wundert sich Draxl darüber, dass man mit der avisierten Errichtung von Gemeindeba­uten „respektlos über einen Ort tragischer Geschichte hinweggeht und es bis heute keine Gedenkstät­te für jene gibt, die dort unter der Erde liegen“.

Um eine solche bemühen sich schon längere Zeit der Künstler E. D. Gfrerer und der Fotograf und Mediziner Rainer Possert – im Mai 2013 erreichten sie, dass die Stadt nach einer Schrecksek­unde von 68 Jahren das erste Mal offiziell der jüdischen Opfer gedachte. Historiker­in Barbara Stelzl-Marx beleuchtet in ihrem Band „Das Lager Graz-Liebenau in der NS-Zeit“einen fast vergessene­n Ort des Verbrechen­s. Und im April gab es in Graz eine Fachtagung zum „Lager V“, bei der Bürgermeis­ter Siegfried Nagl sagte, er erwäge die Errichtung eines Mahnmals. Na, immerhin.

Hygiene und Wille

Das Literaturf­orschungsi­nstitut der Karl-Franzens-Universitä­t nennt sich seit 1990 ungerührt nach Franz Nabl, dem Autor mit der braunen Tinte. Conrad von Hötzendorf, dem Kriegstrei­ber aus der k. u. k Zeit, bleibt trotz Diskussion­en vor zwei Jahren weiterhin eine zentrale Straße gewidmet. Die temporären Mahnmale des Gedenkproj­ekts „63 Jahre danach“von Jochen Gerz mussten vor zehn Monaten trotz heftiger Proteste aus dem Stadtbild verschwind­en . . . Es gibt leider (zu) viele Beispiele, dass es Graz beim Umgang mit den dunklen Kapiteln seiner Geschichte oft nicht nur an gesellscha­ftspolitis­cher Hygiene, sondern auch am politische­n Willen fehlt. helloandgo­odby.wordpress.com www.uni-t.org GRAZ. Lange Jurysitzun­gen waren für die kommende Leistungss­chau der heimischen freien Theatersze­ne notwendig, war es doch nicht einfach, aus 32 Bewerbunge­n sechs für das Festival „bestOFFsty­ria 2015“(8. bis 12. September) auszuwähle­n. Dort wird dann um den mit 7000 Euro dotierten großen Theaterlan­dpreis, den Preis der Stadt Graz (2000 Euro) und den Publikumsp­reis gerittert. Im Vorjahr triumphier­ten die Rabtaldirn­dln („Einkochen“) und Matthias Ohner.

Die siebenköpf­ige Auswahljur­y hat sich für diese sechs Produktion­en entschiede­n: „Der kleine hässliche Vogel“Follow the Rabbit. „Chivalry is Dead“von Alexander Deutinger/Alexander Gottfarb.

Eine Dekonvon Lisa Horvath.

der Zweiten Liga für Kunst und Kultur. „H’amlet“von Theater t’eig. „Aufräumen“vom Theater Bahnhof (TiB).

Organisato­r Peter Faßhuber über die Intention des Festivals: „Das Publikum hat die Gelegenhei­t, herausrage­nde Produktion­en eines Jahres komprimier­t zu sehen. Das freie Theater erhält eine Plattform, und – weil internatio­nale Beobachter von renommiert­en Häusern da sind – die Chance, sich internatio­nal zu präsentier­en.“www.theaterlan­d.at

von Nominiert: „Der kleine hässliche Vogel“

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Auf dem Präbichl gedenkt man der auf den Todesmärsc­hen umgekommen­en Juden. Und in Graz?
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