Der „Hassias“predigt Toleranz
Erst „Hassprediger“, nun Religionsgründer: Der Kabarettist Serdar Somuncu bringt am Freitag sein neues Programm nach Graz.
Sie haben einmal gesagt, dass Kabarett wehtun muss. Was meinen Sie damit? SERDAR SOMUNCU: Kabarett soll Erwartungshaltungen nicht erfüllen, sondern im besten Fall ein Gegenentwurf sein. Ich beobachte das politische Geschehen in unseren Ländern und bin mit vielem nicht einverstanden. Diese Dinge spreche ich an und das passt nicht jedem. Leute wie Strache machen Politik, die ich sehr verwerflich finde. Das Kabarett ist ein gutes Mittel, um diesen Methoden zu widersprechen.
Sie wurden mit Lesungen aus Hitlers „Mein Kampf“in Deutschland bekannt. Damit sind Sie vor Neonazis, aber auch vor ehemaligen KZ-Häftlingen aufgetreten. SOMUNCU: In den 90er-Jahren war das ein Tabubruch, dabei gab es schon früher Leute, die sich mit dem Thema auf der Bühne auseinandersetzten – wie Helmut Qualtinger. Ich habe oft vor Nazis gelesen und Hitler dabei ironisch imitiert. Das war nicht immer ungefährlich, aber man muss den Mut haben, seine Meinung auch vor Leuten zu vertreten, die damit nicht einverstanden sind – gerade als Kabarettist. Ich kann und will keine Kunst machen, die nur unterhält. Da ist Mario Barth der bessere Ansprechpartner.
Sie fordern, dass Hitlers „Mein Kampf“in Buchläden wieder erhältlich ist, und spielen mit Nazivokabular. Leistet man so nicht dem rechten Lager Vorschub? SOMUNCU: Nein, im Gegenteil. Durch das Verbot wird das Buch und sein Besitz aufgewertet. So wurde es zur Devotionalie bei rechten Sympathisanten. Zumal es sich um ein Pro-Forma-Verbot handelt. Man kann sich das Buch ja im Internet bestellen. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Inhalte in diesem Buch weit ungefährlicher sind als etwa jene auf Wahlplakaten der FPÖ.
Was erwartet die Leute im neuen Programm „H2 Universe“, der Fortsetzung des „Hasspredigers“? SOMUNCU: Ich habe mit meinem Publikum das hassistische Reich gegründet – eine Religion, deren Kernaussage lautet: Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung. Der ernste Aspekt an diesem Spiel ist, dass wir die Rollen vertauschen wollen. Wir machen die Opfer zu den Tätern und die Täter zu den Opfern. Im Idealfall gibt es eine Art Konsens, die völlig ohne Zensur auskommt.
Es wird also ein verbaler Rundumschlag? SOMUNCU: Ja. Dabei geht es aber nicht um Provokation, sondern um Bewusstsein und Toleranz. Die eigene Position soll ebenso hinterfragt werden wie die des anderen. Aber Inhalte und auch Feindbilder ändern sich. Früher war es für deutsche Künstler wichtig, dass man gegen rechts auftritt. Heute haben die Linkswähler bei uns die Mehrheit. Wo positioniert man sich nun also als Oppositioneller? Ein weiteres