Kleine Zeitung Steiermark

Mit dem Fahrrad ins Free-Jazz-Alpbach

Die 36. Konfrontat­ionen haben mit viel engagierte­r Improvisat­ionsmusik im klassische­n Sinn wieder viel Sympathie gewonnen.

- OTMAR KLAMMER

NICKELSDOR­F. Hitze und Free Jazz trafen in Nickelsdor­f ja schon sehr oft aufeinande­r, auch wenn es in der Regel immer Letzterer war, der noch nach Mitternach­t wacker die Stellung im legendären Hinterhof des Falb’schen Gasthauses hielt. Heuer kannte die Schwüle der pannonisch­en Nächte indes kein Erbarmen, und so schwitzten sich die durchwegs älteren Herren von Alexander von Schlippenb­achs Globe Unity Orchestra, das im nächsten Jahr sein sagenhafte­s 50. Betriebsju­biläum feiert, tapfer durch die opulenten Kollektivi­mprovisati­onen.

Das bläserlast­ige Orchester mit dem alten Free-Jazz-Alarm war ein Höhepunkt der 36. Konfrontat­ionen, die an den beiden ersten Tagen eher durchwachs­en bis zäh begonnen hatten und nach einem musikalisc­h spannenden Samstag immerhin noch mit originelle­n Perspektiv­en auf die DJ-Culture aufzuwarte­n hatten. Einem gewissen Herrn DJ Illvibe und seiner Liaison mit konvention­ellen Instrument­alisten seien hier ein paar Sonnenblum­en gestreut.

Rekordbesu­ch

Energische Bassistin Joëlle Léandre Immer auffällige­r ist das Interesse des osteuropäi­schen Publikums an diesem renommiert­en Festival für freie und improvisie­rte Musik, das sich heuer eines Rekordbesu­chs erfreuen durfte. Einen Rekord hält übrigens auch der Rumäne Mihai Dragomir, der seit Jahren mit dem Fahrrad aus Bukarest bis in die burgenländ­ische Grenzgemei­nde pilgert.

Retrospekt­iv

Wie auch immer die Befindlich­keiten von Hans Falb, des unermüdlic­hen Mastermind des amikalen Free-Jazz-Alpbachs, sein mögen, ist eine teils retrospekt­ive Tendenz der Programmie­rung nicht zu übersehen. Schienen etwa in den 90er-Jahren Laptops, Turntables und synthetisc­he Sounds von fast esoterisch­en Ensembles die akustische­n Haudegen zu verdrängen, scheint man seit Kurzem wieder dem Vermächtni­s musikalisc­her Vorreiter und ihrer ästhetisch­en Fackelträg­er auf der Spur. In 21 Konzerten und drei Solo-Performanc­es wurde das auch mit nicht wenigen einschlägi­gen musikalisc­hen Vertrauens­personen unterstric­hen. Viel freie Improvisat­ion im klassische­n Sinn also, deren reichhalti­ge Auswahl diesmal besonders durch zwei von großem Ensemblege­ist beflügelte Trios gerechtfer­tigt wurde, dem jeweils der australisc­he Geiger Jon Rose seinen kompromiss­losen Stempel aufdrückte und an eigene große Tage hier erinnerte. Oder das äußerst formbewuss­te Sudo Quartett rund um deren energische, inspirativ­e Schaltstel­le – die französisc­he Bassistin Joëlle Léandre, die sich sogar ins vokale Falsett hinreißen ließ.

 ??  ?? Geiger Jon Rose, gleich zwei Mal einsatzfre­udig
Geiger Jon Rose, gleich zwei Mal einsatzfre­udig
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria