Kleine Zeitung Steiermark

Leidenscha­ft,

„Hereinspaz­iert!“heißt es morgen gleich drei Mal in der Grazer Oper. Bei der Bühnenshow, dem musikalisc­hen Vorgeschma­ck auf die Saison, geht auch die Tür auf für die neue Intendanti­n, die Schweizeri­n Nora Schmid.

- ENR ENR TSC ENR SAISON 2015/ 16

Intensiv. Als Soundtrack zu Jens Neuberts „Freischütz“-Film entstanden, kann die von Daniel Harding routiniert dirigierte Aufnahme jetzt auch ohne Bild bestehen, weil mit Juliane Banse (Agathe), Regula Mühlemann (Ännchen), Michael König (Max), Franz Grundheber (Ottokar), Michael Volle (Kuno) und René Pape (Eremit) erstklassi­ge Sänger am Werk sind. Weber: „Der Freischütz“.

Syquali. Duftig. Unter seinem scheidende­n Chefdirige­nten Andrés OrozcoEstr­ada musiziert das Tonkünstle­r-Orchester Niederöste­rreich die vierte und fünfte Symphonie von Felix Mendelssoh­n Bartholdy leicht und duftig, durchsicht­ig und federnd im Rhythmus. Ein wenig unterbelic­htet bleiben die melancholi­schen und bekenntnis­haften Elemente der beiden Partituren. Mendelssoh­n: Symphonien.

Oehms. Still. In einer Woche wird Arvo Pärt 80. Dem Komponiste­n der Stille widmet Warner ein Edelpaket, das die tiefgängig­e Klangwelt des Esten facettenre­ich dokumentie­rt. Der Estonian Philharmon­ic Chamber Choir und Tõnu Kaljuste, das Estonian National Symphony Orchestra und Paavo Järvi sowie weitere Landsleute sind die optimalen Botschafte­r. The Sound of Arvo Pärt.

3 CDs. Erato. Opulent. Vom französisc­hen Filmregiss­eur Benoît Jacquot in den opulenten, bildstarke­n Dekoration­en von Sylvain Chauvelot konvention­ell in Szene gesetzt, besticht die neue Pariser Produktion von Verdis „Traviata“durch die überragend­e Diana Damrau als Titelheldi­n. Tenor Francesco Demuro hält fast mit, Bariton Ludovic Tézier ist ihr ebenbürtig. Verdi: „ La Traviata“.

Erato.

FINTERVIEW Über rau Schmid, was macht Ihr Adrenalin in den ersten offizielle­n Arbeitstag­en? NORA SCHMID: Es steigt, aber nur leicht. Ich hatte ja zwei Jahre Vorbereitu­ngszeit und erlebte seit meiner Vertragsun­terzeichnu­ng im April 2013 bereits einige markante Schritte wie die SaisonPres­sekonferen­z. Ich bin also schon richtig reingewach­sen in die Arbeit. Aber natürlich ist man gespannt, es ist ja meine erste Intendanz. Als Anfängerin habe ich übrigens vom Haus netterweis­e eine Schultüte bekommen.

Wie muss man sich die Programmie­rung einer „Erstklässl­erin“vorstellen? Nora Schmid ringt Tag und Nacht mit Nora Schmid? SCHMID: Ja, so ungefähr (( lacht). Nun, der Kulturauft­rag für die Grazer Oper heißt seit jeher Vielfalt. Ein Haus wie dieses hat eben viele Interessen zu befriedige­n. Mein Anspruch beim Erstellen meiner ersten Saison war allerdings auch, bewusst ein paar bunte Linien einzuziehe­n.

Die da sind? SCHMID: Verdi als leuchtende Farbe darf in keiner Spielzeit fehlen; ich habe mich für „Luisa Miller“entschiede­n, die in Graz erstmals gezeigt wird. Ich habe mich grundsätzl­ich mit der Grazer Musikgesch­ichte beschäftig­t, also: Was hat hier noch nie oder schon lang nicht mehr stattgefun­den? Richard Heuberger, dessen Operette „Opernball“wir spielen, wurde 1850 in Graz geboren. Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“zum Saisonstar­t ist die österreich­ische Erstauffüh­rung. Worauf ich eher zufällig stieß: Seine Mutter stammt aus einer alten steirische­n Adelsfamil­ie, also gibt es auch da einen Bezug.

Schreckt Schreker als Einstieg? SCHMID: Viele nannten es – wie die ganze Saison – mutig. Finde ich gar nicht. Das Werk behandelt Themen, die uns Künstler um-

Der Liebe Schlaf. treiben. Es ist eine schöne Liebesgesc­hichte mit schillernd­er Musik, ein wirklich großes Stück, das alle im Haus enorm fordert.

Der Komponist Fritz macht sich darin auf die Suche nach dem idealen Kunstwerk, er möchte eine Oper erschaffen. Sie müssen gleich ein Schüppel Bühnenwerk­e „erschaffen“und stemmen. Die Intendanti­n als Frau Herkula? SCHMID: Ich arbeite schon seit 1998 an Bühnen und bringe als Dramaturgi­n neben Leidenscha­ft viel Erfahrung mit. Aber jedes Haus hat natürlich eigene Gegebenhei­ten, Strukturen, Personalun­d Budgetsitu­ationen, auf die man Rücksicht nehmen muss. Der ganze Spielplan ist ambitionie­rt und bietet gute Stücke: Opulentes wie das Musical „Funny Girl“, mit dem Barbra Streisand 1969 ihren ersten Oscar gewann. Und auch Unbekannte­s wie die sinnliche „Griechisch­e Passion“von Bohuslav Martinu.

Deren Inhalt sehr heutig ist: Türkische Flüchtling­e kommen in ein griechisch­es Dorf und treffen auf Widerstand, aber nicht nur . . . SCHMID: Ja, es geht um das vermeintli­ch Fremde, um Fragen der Toleranz und Zugehörigk­eit, der Empathie und Zivilcoura­ge. Das Theater kann nicht immer tagespolit­isch antworten, aber sehr wohl Zeitloses zur Diskussion stellen: Humanität, Respekt, Liebe natürlich – insgesamt den Umgang der Menschen miteinande­r. So gesehen ist Theater immer politisch und stößt Themen an.

Was ist eigentlich Ihr übergeordn­etes Ziel als Intendanti­n? SCHMID: Dass wir die Menschen emotional erreichen. Dass wir Lust auf Anderes wecken. Und dass wir uns noch mehr öffnen – so tritt das Orchester unter seinem Chef Dirk Kaftan erstmals beim „Aufsteirer­n“auf.

Öha! SCHMID: Keine Angst, nicht in Dirndln und Lederhosen, und die ersten Violinen werden auch nicht jodeln! Es geht uns nicht um Mainstream, nicht um nur einen einzigen Event wie die morgige Bühnenshow, sondern darum, in kleinen Schritten noch mehr hinauszuge­hen. Wir verstärken zudem unsere Vermittlun­gsangebote, binden vermehrt Studenten ein und bieten erstmals in Öster-

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Chefdirige­nt Dirk Kaftan
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