Leidenschaft,
„Hereinspaziert!“heißt es morgen gleich drei Mal in der Grazer Oper. Bei der Bühnenshow, dem musikalischen Vorgeschmack auf die Saison, geht auch die Tür auf für die neue Intendantin, die Schweizerin Nora Schmid.
Intensiv. Als Soundtrack zu Jens Neuberts „Freischütz“-Film entstanden, kann die von Daniel Harding routiniert dirigierte Aufnahme jetzt auch ohne Bild bestehen, weil mit Juliane Banse (Agathe), Regula Mühlemann (Ännchen), Michael König (Max), Franz Grundheber (Ottokar), Michael Volle (Kuno) und René Pape (Eremit) erstklassige Sänger am Werk sind. Weber: „Der Freischütz“.
Syquali. Duftig. Unter seinem scheidenden Chefdirigenten Andrés OrozcoEstrada musiziert das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich die vierte und fünfte Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy leicht und duftig, durchsichtig und federnd im Rhythmus. Ein wenig unterbelichtet bleiben die melancholischen und bekenntnishaften Elemente der beiden Partituren. Mendelssohn: Symphonien.
Oehms. Still. In einer Woche wird Arvo Pärt 80. Dem Komponisten der Stille widmet Warner ein Edelpaket, das die tiefgängige Klangwelt des Esten facettenreich dokumentiert. Der Estonian Philharmonic Chamber Choir und Tõnu Kaljuste, das Estonian National Symphony Orchestra und Paavo Järvi sowie weitere Landsleute sind die optimalen Botschafter. The Sound of Arvo Pärt.
3 CDs. Erato. Opulent. Vom französischen Filmregisseur Benoît Jacquot in den opulenten, bildstarken Dekorationen von Sylvain Chauvelot konventionell in Szene gesetzt, besticht die neue Pariser Produktion von Verdis „Traviata“durch die überragende Diana Damrau als Titelheldin. Tenor Francesco Demuro hält fast mit, Bariton Ludovic Tézier ist ihr ebenbürtig. Verdi: „ La Traviata“.
Erato.
FINTERVIEW Über rau Schmid, was macht Ihr Adrenalin in den ersten offiziellen Arbeitstagen? NORA SCHMID: Es steigt, aber nur leicht. Ich hatte ja zwei Jahre Vorbereitungszeit und erlebte seit meiner Vertragsunterzeichnung im April 2013 bereits einige markante Schritte wie die SaisonPressekonferenz. Ich bin also schon richtig reingewachsen in die Arbeit. Aber natürlich ist man gespannt, es ist ja meine erste Intendanz. Als Anfängerin habe ich übrigens vom Haus netterweise eine Schultüte bekommen.
Wie muss man sich die Programmierung einer „Erstklässlerin“vorstellen? Nora Schmid ringt Tag und Nacht mit Nora Schmid? SCHMID: Ja, so ungefähr (( lacht). Nun, der Kulturauftrag für die Grazer Oper heißt seit jeher Vielfalt. Ein Haus wie dieses hat eben viele Interessen zu befriedigen. Mein Anspruch beim Erstellen meiner ersten Saison war allerdings auch, bewusst ein paar bunte Linien einzuziehen.
Die da sind? SCHMID: Verdi als leuchtende Farbe darf in keiner Spielzeit fehlen; ich habe mich für „Luisa Miller“entschieden, die in Graz erstmals gezeigt wird. Ich habe mich grundsätzlich mit der Grazer Musikgeschichte beschäftigt, also: Was hat hier noch nie oder schon lang nicht mehr stattgefunden? Richard Heuberger, dessen Operette „Opernball“wir spielen, wurde 1850 in Graz geboren. Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“zum Saisonstart ist die österreichische Erstaufführung. Worauf ich eher zufällig stieß: Seine Mutter stammt aus einer alten steirischen Adelsfamilie, also gibt es auch da einen Bezug.
Schreckt Schreker als Einstieg? SCHMID: Viele nannten es – wie die ganze Saison – mutig. Finde ich gar nicht. Das Werk behandelt Themen, die uns Künstler um-
Der Liebe Schlaf. treiben. Es ist eine schöne Liebesgeschichte mit schillernder Musik, ein wirklich großes Stück, das alle im Haus enorm fordert.
Der Komponist Fritz macht sich darin auf die Suche nach dem idealen Kunstwerk, er möchte eine Oper erschaffen. Sie müssen gleich ein Schüppel Bühnenwerke „erschaffen“und stemmen. Die Intendantin als Frau Herkula? SCHMID: Ich arbeite schon seit 1998 an Bühnen und bringe als Dramaturgin neben Leidenschaft viel Erfahrung mit. Aber jedes Haus hat natürlich eigene Gegebenheiten, Strukturen, Personalund Budgetsituationen, auf die man Rücksicht nehmen muss. Der ganze Spielplan ist ambitioniert und bietet gute Stücke: Opulentes wie das Musical „Funny Girl“, mit dem Barbra Streisand 1969 ihren ersten Oscar gewann. Und auch Unbekanntes wie die sinnliche „Griechische Passion“von Bohuslav Martinu.
Deren Inhalt sehr heutig ist: Türkische Flüchtlinge kommen in ein griechisches Dorf und treffen auf Widerstand, aber nicht nur . . . SCHMID: Ja, es geht um das vermeintlich Fremde, um Fragen der Toleranz und Zugehörigkeit, der Empathie und Zivilcourage. Das Theater kann nicht immer tagespolitisch antworten, aber sehr wohl Zeitloses zur Diskussion stellen: Humanität, Respekt, Liebe natürlich – insgesamt den Umgang der Menschen miteinander. So gesehen ist Theater immer politisch und stößt Themen an.
Was ist eigentlich Ihr übergeordnetes Ziel als Intendantin? SCHMID: Dass wir die Menschen emotional erreichen. Dass wir Lust auf Anderes wecken. Und dass wir uns noch mehr öffnen – so tritt das Orchester unter seinem Chef Dirk Kaftan erstmals beim „Aufsteirern“auf.
Öha! SCHMID: Keine Angst, nicht in Dirndln und Lederhosen, und die ersten Violinen werden auch nicht jodeln! Es geht uns nicht um Mainstream, nicht um nur einen einzigen Event wie die morgige Bühnenshow, sondern darum, in kleinen Schritten noch mehr hinauszugehen. Wir verstärken zudem unsere Vermittlungsangebote, binden vermehrt Studenten ein und bieten erstmals in Öster-