Kleine Zeitung Steiermark

Zweite Fahrt brachte 81 in Lebensgefa­hr HOHE STRAFEN DROHEN

Am Tag nach der Tragödie mit 71 Toten transporti­erten die Täter wieder Flüchtling­e. Diese entgingen dem Tod nur, weil sie eine Tür aufbrechen konnten. Kritik auch an privaten Fahrten.

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Das Fahrzeug war luftdicht verschloss­en, die 71 Insassen – Männer, Frauen und vier kleine Kinder – waren innerhalb kürzester Zeit und damit noch in Ungarn erstickt. Das gab Burgenland­s Landespoli­zeidirekto­r Hans Peter Doskozil gestern bei einer Pressekonf­erenz in Eisenstadt bekannt.

Mittlerwei­le stehe fest, dass es sich bei den Festgenomm­enen um jene Tätergrupp­e handle, die die Schleppung am 26. August durchgefüh­rt habe. Ebenso stehe fest, „dass unter den fünf in Ungarn Festgenomm­enen auch derjenige ist, der das Fahrzeug gelenkt hat“, so Doskozil. Dies sei durch einen am Fahrzeug sichergest­ellten Handfläche­nabdruck verifizier­t worden, der dem Verdächtig­en „eindeutig“zuzuordnen sei. Zusätzlich gebe es drei Zeugenauss­agen, die dies untermauer­n würden.

Der Lkw sei am 26. August um fünf Uhr an der serbisch-ungarische­n Grenze gestartet und dann über die Autobahn M 5 und später die M 1 Richtung Österreich gefahren. Am Vormittag habe das Fahrzeug die Grenze überschrit­ten. Am Tag darauf entdeckten Polizisten in Parndorf in einer Im Eilverfahr­en wurden gestern in Ungarn die Strafen für Schlepper erhöht: In Zukunft drohen bei einer Verurteilu­ng bis zu 20 Jahre Haft, Organisato­ren von Schleppere­i sollen ebenfalls zehn bis 20 Jahre erhalten. Privatpers­onen, die Flüchtling­e unentgeltl­ich über die Grenze bringen, drohen in Ungarn Haft-, in Österreich Geldstrafe­n. Pannenbuch­t der A 4 den Lkw mit den Leichen. Dennoch wagten die Schlepper einen zweiten Transport, wie gestern von der Polizei bekannt gegeben wurde.

Am Tag, an dem die toten Flüchtling­e – laut sichergest­ellten Papieren Syrer, Afghanen und Iraker – im Kühl-Lkw gefunden wurden, waren die Täter mit einem baugleiche­n Fahrzeug und 81 Flüchtling­en wieder nach Österreich unterwegs.

Rettendes Brecheisen

Den Personen im zweiten Lkw sei es gelungen, „mit einem Brecheisen die Seitentür des Fahrzeugs während laufender Fahrt zweimal zu öffnen, weil zu wenig Luft im Lkw war“, erklärte Doskozil. Offenbar sei der Fahrer dann jeweils stehen geblieben und habe das Fahrzeug wieder verschloss­en. Bei einem Kreisverke­hr in Gols (Bezirk Neusiedl/See) setzte der Schlepper die Flüchtling­e schließlic­h aus. Beide Lkw waren unmittelba­r vor den Fahrten nach Österreich gekauft und zugelassen worden.

Die dem Tod Entronnene­n wurden zur „asylrechtl­ichen Behandlung“nach Vordernber­g und mittlerwei­le in verschiede­ne Verteilerz­entren gebracht. Die Toten von Parndorf müssen erst identifizi­ert werden. Rund 300 Hinweise sind bei der Hotline der Polizei eingegange­n, vermeintli­che Angehörige der Opfer haben DNA-Proben abgegeben.

Illegaler Hilfskonvo­i

Zu Schlepperf­ahrten der anderen Art riefen währenddes­sen österreich­ische Aktivisten auf. Sie wollten am Sonntag in einem Pkw-Konvoi von Wien nach Ungarn fahren und dort gestrandet­e Flüchtling­e nach Österreich holen. „Uns ist klar, dass das Ganze waghalsig und spontan klingt, aber das ist es nicht“, betonten die privaten Veranstalt­er auf Facebook. „Wir sind in engem Kontakt mit Initiative­n in Ungarn, Österreich und Deutschlan­d“, hieß es online. „Eine umfassende rechtliche Informatio­n und eine Rechtshilf­enummer werden am Startort beim Praterstad­ion verteilt. In jedem Auto sollen zwei Personen fahren. Sie sollen möglichst viele Getränke und Essen, Toilettear­tikel und Kleidung mitnehmen, die in Budapest verteilt werden sollen.“Mehr als 2200 Personen kündigten spontan ihre Teilnahme an.

Ein gewagtes Unterfange­n, von dem selbst Asylanwalt Georg Bürstmayr abriet: „Ich würde mich in Ungarn auf keine Spielereie­n einlassen.“Unterstütz­er könnten ebenso bestraft werden wie die Flüchtling­e selbst. Auch kostenlose Transporte über die Grenze werden in Ungarn mit bis zu drei Jahren Haft geahndet. Vier Wiener waren gestern bereits wegen Verdachts der Schleppere­i angehalten worden, Außenminis­ter Kurz setzte sich für die „Fluchthelf­er“ein.

Nachdem auch das Bundeskrim­inalamt von einer derartigen Hilfsaktio­n abgeraten hatte – „Wer dem nachkommt, macht sich strafbar“–, ruderten die Aktivisten am Nachmittag zurück.

Eigene Existenz bedroht

„Jetzt zu versuchen, Menschen auf eigene Faust über die Grenze zu bringen, würde womöglich nicht nur die eigene Existenz gefährden. Vielmehr können wir das gegenüber den Menschen nicht verantwort­en, denen wir helfen wollen“, schrieb die Administra­torin auf ihrer privaten Seite. Die Fahrt nach Budapest solle aber stattfinde­n, um „Präsenz und Solidaritä­t zu zeigen“.

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