Wenn Hilfe keine Grenzen kennt
Tausende Flüchtlinge kommen zu Fuß aus Ungarn. Die Erleichterung, es nach Wochen der Angst ins sichere Österreich geschafft zu haben, ist in jedem Gesicht zu erkennen.
Der Grenzübergang Nickelsdorf gleicht einem Katastrophengebiet. Seit dem frühen Morgen kommen hier unzählige Männer, Frauen und Kinder nach Österreich. Sie kommen zu Fuß, denn die Busse aus Ungarn halten vor der Grenze. Den Kontakt zu den ungarischen Kollegen beschreibt man bei der Polizei als „dürftig“, viel Information gibt es aus dem Nachbarland nicht. Ein syrisches Mädchen wird auf den Schultern ihres Vaters getragen. Sie hält sich fest, ist unsicher. Bis sie die beiden Polizisten sieht, die die ankommenden Flüchtlinge begrüßen und einweisen. Ihre Augen beginnen zu strahlen und sie winkt. Die Polizisten winken freundlich zurück und sehen sich mit hilflosen Blicken an. Die Erwachsenen wirken überrascht, auf diese Art von der Polizei begrüßt zu werden.
Sie tragen nur das Notwendigste bei sich, viele sind mit nackten Füßen oder zertretenen Flipflops unterwegs, tragen leichte TShirts bei 17 Grad. Ein breitschultriger Polizist steht abseits und drückt zitternd ein Handy an sein Ohr: „Es ist unfassbar. Die ganzen Leute. Sie sind verletzt, haben Angst und vielen ist kalt. Nach 20 Dienstjahren habe ich keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.“
Nach ihrer Ankunft werden die Flüchtlinge erstversorgt. Hunderte Mitarbeiter stehen dafür bereit, auch sechs Notärzte. „An die 20 Prozent der Flüchtlinge brauchen medizinische Hilfe“, sagt Rotkreuz-Sprecher Andreas Zenker. „Sie sind unterkühlt und haben mit den Folgen ihres Fußmarsches zu kämpfen, der oft kilometerlang war und zuletzt drei Stunden lang im Regen stattgefunden hat. Die Menschen sind erschöpft, aber dankbar und glücklich, in Sicherheit zu sein.“
Frische Schusswunden
Beim Roten Kreuz spricht man außerdem von frischen Schusswunden und anderen Verletzungen, die sich die Flüchtlinge erst kürzlich zugezogen haben. Auf Fragen nach der Herkunft der Verletzung folgt mit gesenktem Blick meist die Antwort: „Ungarn“.
Unzählige Paar Schuhe, Gewand und Nahrungsmittel stehen bereit und werden von Freiwilligen wie Sabrina Steindl verteilt. Die Mitarbeiterin einer MediaAgentur hat sich mit ihrer Kollegin bereits um sechs Uhr früh auf den Weg nach Nickelsdorf gemacht. „Wir wollten einfach was tun, also haben wir die Spenden, die in Traiskirchen übrig geblieben sind, eingepackt und mit einem LKW hierher gebracht. Die Menschen sind unbeschreiblich dankbar, dass wir hier sind.“Die Helfer suchen mit einer syrischen Frau Schuhe und Gewand für ihre beiden kleinen Söhne. Sie will ihren Namen nicht nennen, auf der Flucht ist zu viel passiert und Vertrauen zu fassen fällt ihr nun schwer. In gebrochenem Englisch erzählt sie: „An der Grenze von Serbien zu Ungarn hat uns die ungarische Polizei gesagt, wir sollen zu ihnen gehen. Als wir das taten, haben sie mich und meine Kinder mit Pfefferspray besprüht. Meine Söhne haben eine Stunde lang geweint und sind dann vor Erschöpfung eingeschlafen.“Ein Bekannter hat diese Szenen am Handy mitgefilmt, man hört Schreie und sieht Polizisten, die auf Englisch „Geht zurück nach Syrien“rufen.
Die übermüdeten Flüchtlinge warten geduldig in den ihnen zugeteilten Warteschlangen, um die Busse nach Parndorf oder direkt zum Wiener Westbahnhof zu besteigen. Kanzler Werner Faymann hatte bekannt gegeben, in Abstimmung mit Deutschland Flüchtlinge in die gewünschten Länder weiterreisen zu lassen.
In einer Schlange stehen sieben Männer, die gemeinsam geflüchtet sind. Unter ihnen der 24-jährige Student Saeed. „Meine Frau, unser Sohn und ich hatten ein schönes Leben in Syrien. Bis der Krieg kam und uns alles genommen hat. Eine Fliegerbombe hat unser Haus zerstört, viele Freunde sind tot.“Frau und Kind musste er auf der Flucht in der Türkei zurücklassen, auch er hat fünf