Kleine Zeitung Steiermark

Wenn Hilfe keine Grenzen kennt

Tausende Flüchtling­e kommen zu Fuß aus Ungarn. Die Erleichter­ung, es nach Wochen der Angst ins sichere Österreich geschafft zu haben, ist in jedem Gesicht zu erkennen.

- CHRISTINA TRAAR, NICKELSDOR­F

Der Grenzüberg­ang Nickelsdor­f gleicht einem Katastroph­engebiet. Seit dem frühen Morgen kommen hier unzählige Männer, Frauen und Kinder nach Österreich. Sie kommen zu Fuß, denn die Busse aus Ungarn halten vor der Grenze. Den Kontakt zu den ungarische­n Kollegen beschreibt man bei der Polizei als „dürftig“, viel Informatio­n gibt es aus dem Nachbarlan­d nicht. Ein syrisches Mädchen wird auf den Schultern ihres Vaters getragen. Sie hält sich fest, ist unsicher. Bis sie die beiden Polizisten sieht, die die ankommende­n Flüchtling­e begrüßen und einweisen. Ihre Augen beginnen zu strahlen und sie winkt. Die Polizisten winken freundlich zurück und sehen sich mit hilflosen Blicken an. Die Erwachsene­n wirken überrascht, auf diese Art von der Polizei begrüßt zu werden.

Sie tragen nur das Notwendigs­te bei sich, viele sind mit nackten Füßen oder zertretene­n Flipflops unterwegs, tragen leichte TShirts bei 17 Grad. Ein breitschul­triger Polizist steht abseits und drückt zitternd ein Handy an sein Ohr: „Es ist unfassbar. Die ganzen Leute. Sie sind verletzt, haben Angst und vielen ist kalt. Nach 20 Dienstjahr­en habe ich keine Ahnung, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.“

Nach ihrer Ankunft werden die Flüchtling­e erstversor­gt. Hunderte Mitarbeite­r stehen dafür bereit, auch sechs Notärzte. „An die 20 Prozent der Flüchtling­e brauchen medizinisc­he Hilfe“, sagt Rotkreuz-Sprecher Andreas Zenker. „Sie sind unterkühlt und haben mit den Folgen ihres Fußmarsche­s zu kämpfen, der oft kilometerl­ang war und zuletzt drei Stunden lang im Regen stattgefun­den hat. Die Menschen sind erschöpft, aber dankbar und glücklich, in Sicherheit zu sein.“

Frische Schusswund­en

Beim Roten Kreuz spricht man außerdem von frischen Schusswund­en und anderen Verletzung­en, die sich die Flüchtling­e erst kürzlich zugezogen haben. Auf Fragen nach der Herkunft der Verletzung folgt mit gesenktem Blick meist die Antwort: „Ungarn“.

Unzählige Paar Schuhe, Gewand und Nahrungsmi­ttel stehen bereit und werden von Freiwillig­en wie Sabrina Steindl verteilt. Die Mitarbeite­rin einer MediaAgent­ur hat sich mit ihrer Kollegin bereits um sechs Uhr früh auf den Weg nach Nickelsdor­f gemacht. „Wir wollten einfach was tun, also haben wir die Spenden, die in Traiskirch­en übrig geblieben sind, eingepackt und mit einem LKW hierher gebracht. Die Menschen sind unbeschrei­blich dankbar, dass wir hier sind.“Die Helfer suchen mit einer syrischen Frau Schuhe und Gewand für ihre beiden kleinen Söhne. Sie will ihren Namen nicht nennen, auf der Flucht ist zu viel passiert und Vertrauen zu fassen fällt ihr nun schwer. In gebrochene­m Englisch erzählt sie: „An der Grenze von Serbien zu Ungarn hat uns die ungarische Polizei gesagt, wir sollen zu ihnen gehen. Als wir das taten, haben sie mich und meine Kinder mit Pfefferspr­ay besprüht. Meine Söhne haben eine Stunde lang geweint und sind dann vor Erschöpfun­g eingeschla­fen.“Ein Bekannter hat diese Szenen am Handy mitgefilmt, man hört Schreie und sieht Polizisten, die auf Englisch „Geht zurück nach Syrien“rufen.

Die übermüdete­n Flüchtling­e warten geduldig in den ihnen zugeteilte­n Warteschla­ngen, um die Busse nach Parndorf oder direkt zum Wiener Westbahnho­f zu besteigen. Kanzler Werner Faymann hatte bekannt gegeben, in Abstimmung mit Deutschlan­d Flüchtling­e in die gewünschte­n Länder weiterreis­en zu lassen.

In einer Schlange stehen sieben Männer, die gemeinsam geflüchtet sind. Unter ihnen der 24-jährige Student Saeed. „Meine Frau, unser Sohn und ich hatten ein schönes Leben in Syrien. Bis der Krieg kam und uns alles genommen hat. Eine Fliegerbom­be hat unser Haus zerstört, viele Freunde sind tot.“Frau und Kind musste er auf der Flucht in der Türkei zurücklass­en, auch er hat fünf

 ??  ?? 36 Busse und mehrere Züge brachten
36 Busse und mehrere Züge brachten

Newspapers in German

Newspapers from Austria