Rückkehr zur Höchstform
Große Gefühle, kriminelle Abgründe und Maskenbildner-Höchstleistungen sorgen in Venedig für Begeisterung.
VENEDIG. Die Frau mit dem flammend roten Haar war einmal ein Mann. Und wird von einem Mann gespielt: Der Brite Eddie Redmayne (33), für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“im Frühjahr mit dem Oscar geehrt, stellt in „The Danish Girl“von Tom Hooper („The King’s Speech“) die Dänin Lili Elbe dar, die als Mann geboren wurde und sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog – in den 30erJahren des 20. Jahrhunderts. Das bewegende Drama um einen transsexuellen Mann, der dank seiner Ehefrau zu sich selbst findet, gilt im Rennen um Venedigs Goldenen Löwen seit seiner gestrigen Premiere als höchst preisverdächtig.
Er sei „zutiefst gerührt“gewesen von „dieser einzigartigen Liebesgeschichte, in deren Kern ein Mensch steht, der mutig genug ist, für ein authentisches Leben zu kämpfen“, erzählte Redmayne bei der Pressekonferenz in Venedig. Regisseur Hooper betonte, sein Hauptdarsteller und er seien sich einig gewesen, „dass er eine Frau spielen würde, die zum Vorschein tritt – keinen Mann, der eine Frau imitiert“. Möglich wurde das nicht zuletzt durch eine maskenbildnerische Höchstleistung, dank der sich Redmayne in die ätherische Lili verwandeln konnte.
Schon tags zuvor hatte am Lido ein Film mit außergewöhnlicher Maske für Furore gesorgt: In dem außer Konkurrenz gezeigten Thriller „Black Mass“ist Johnny Depp kaum kenntlich mit blauen Augen und blonder Halbglatze zu sehen. Tenor der Kritik: Nach mehreren mäßigen Leistungen in Filmen wie „Mortdecai“oder „Lone Ranger“zeigt sich der Star endlich wieder in Höchstform. Er spielt den Bostoner Mafiaboss Whitey Bulger, der dank FBI-Kontakten in den 70ern unbehelligt grausamste Verbrechen verübte.
Und auch im Wettbewerb ist Biografisches prominent vertreten: Etwa mit Xavier Giannolis charmanter Tragikomödie „Marguerite“um eine so leidenschaftliche wie talentlose Sängerin, angelehnt an die Lebensgeschichte Florence Foster-Jenkins’. Historische Bezüge zu Krieg, Kunstraub, Flüchtlingsströmen liefert Alexander Sokurows Wettbewerbsbeitrag „Francofonia“, in eine düstere Zukunft, die den Menschen die Liebe verbietet, blickt Drake Doremus’ „Equals“mit „Twilight“-Star Kristen Stewart (25). Vergeben werden die Löwen am kommenden Samstag.