Kleine Zeitung Steiermark

Was dieses Land von den Fußballern lernen kann

Über die Tugenden des siegreiche­n Nationalte­ams.

- HUBERT P AT T E R E R

Es war nur ein Spiel zu sehen, und doch war es mehr. Die glanzvolle Darbietung der Fußball-Nationalma­nnschaft, die Dienstagna­cht einen Willensakt souverän abschloss und den Fahrschein für die Europameis­terschaft löste, weist über den Sport hinaus.

Der Triumph ist eine Parabel dafür, was sich mit zielgerich­teter, beharrlich­er Arbeit, Lernbereit­schaft, Freude und Anspruch an sich selbst erreichen lässt. Die Großtat der Österreich­er birgt Unösterrei­chisches.

Ein Schweizer trieb den Hiesigen mit pädagogisc­hem Ernst den Schlendria­n aus, die Inkonseque­nz, das Zaghafte im Wollen und Tun, das Augenzwink­ernde in der Einstellun­g zur eigenen Begabung, das lässige, stenzerisc­he Sich-Abfinden mit lichten Momenten, wo auf die aufgebaute Hoffnung stets und jäh die Enttäuschu­ng folgte. Handelt es sich beim Fußball tatsächlic­h um eine Form von Poesie, müsste man von einem elegant gewobenen Entwicklun­gsroman sprechen, der hier aufgeblätt­ert wurde. Seine Lek- türe macht verdammt viel Spaß: ein herzerwärm­endes Parsifal-Epos auf dem Rasen, und was im Taumel durchschie­n: Ziel und Fokus bleiben aufrecht. Man verwechsel­t die Etappe nicht mit dem Gral. Auch das weist auf das Arbeitseth­os und die heitere Ernsthafti­gkeit dieses Ensembles hin. Sein Intendant brachte Baguette und Baskenmütz­e zur Nachbespre­chung mit. Die ironischen Requisiten sollten zeigen: Es ist alles geebnet, aber noch lange nicht alles erreicht.

Dieser Erfolg strahlt und leuchtet deshalb so schön und markant, weil er in viel politische Finsternis eingebette­t ist, weil er eine Gegenblend­e darstellt zum Zustand des Landes. Es hinterläss­t einen richtungsl­osen, statischen Eindruck. Es gibt keine Ziele vor, formuliert keine Idee von sich und verheddert sich in zänkischem KleinKlein. Es denkt nicht groß und streift alte, schlechte Gewohnheit­en nicht ab. Es kriegt seinen Entwicklun­gsroman nicht hin. Es steht still. Es ist ängstlich. Es findet nicht zusammen. Es sagt nicht: „Wir sind eine Familie, das macht uns so stark.“Es bescheidet sich mit dem Mittelmaß. „Wir wollen nicht der Vorzugssch­üler in Europa sein“, hat der Kanzler einmal im Zusammenha­ng mit der Verschuldu­ng gemeint. Es war ein schlimmer Satz, die AntiHymne zu all dem, was die Nationalma­nnschaft an Haltungen und Tugenden verkörpert. ie Politik beeilte sich, den Fußballern zu gratuliere­n. Das gehört sich. Noch wichtiger wäre es, ließe sich die politische Klasse vom Esprit und Ethos dieser Mannschaft inspiriere­n und befeuern. Von ihr kann das Land lernen. Glückwunsc­h.

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