Was dieses Land von den Fußballern lernen kann
Über die Tugenden des siegreichen Nationalteams.
Es war nur ein Spiel zu sehen, und doch war es mehr. Die glanzvolle Darbietung der Fußball-Nationalmannschaft, die Dienstagnacht einen Willensakt souverän abschloss und den Fahrschein für die Europameisterschaft löste, weist über den Sport hinaus.
Der Triumph ist eine Parabel dafür, was sich mit zielgerichteter, beharrlicher Arbeit, Lernbereitschaft, Freude und Anspruch an sich selbst erreichen lässt. Die Großtat der Österreicher birgt Unösterreichisches.
Ein Schweizer trieb den Hiesigen mit pädagogischem Ernst den Schlendrian aus, die Inkonsequenz, das Zaghafte im Wollen und Tun, das Augenzwinkernde in der Einstellung zur eigenen Begabung, das lässige, stenzerische Sich-Abfinden mit lichten Momenten, wo auf die aufgebaute Hoffnung stets und jäh die Enttäuschung folgte. Handelt es sich beim Fußball tatsächlich um eine Form von Poesie, müsste man von einem elegant gewobenen Entwicklungsroman sprechen, der hier aufgeblättert wurde. Seine Lek- türe macht verdammt viel Spaß: ein herzerwärmendes Parsifal-Epos auf dem Rasen, und was im Taumel durchschien: Ziel und Fokus bleiben aufrecht. Man verwechselt die Etappe nicht mit dem Gral. Auch das weist auf das Arbeitsethos und die heitere Ernsthaftigkeit dieses Ensembles hin. Sein Intendant brachte Baguette und Baskenmütze zur Nachbesprechung mit. Die ironischen Requisiten sollten zeigen: Es ist alles geebnet, aber noch lange nicht alles erreicht.
Dieser Erfolg strahlt und leuchtet deshalb so schön und markant, weil er in viel politische Finsternis eingebettet ist, weil er eine Gegenblende darstellt zum Zustand des Landes. Es hinterlässt einen richtungslosen, statischen Eindruck. Es gibt keine Ziele vor, formuliert keine Idee von sich und verheddert sich in zänkischem KleinKlein. Es denkt nicht groß und streift alte, schlechte Gewohnheiten nicht ab. Es kriegt seinen Entwicklungsroman nicht hin. Es steht still. Es ist ängstlich. Es findet nicht zusammen. Es sagt nicht: „Wir sind eine Familie, das macht uns so stark.“Es bescheidet sich mit dem Mittelmaß. „Wir wollen nicht der Vorzugsschüler in Europa sein“, hat der Kanzler einmal im Zusammenhang mit der Verschuldung gemeint. Es war ein schlimmer Satz, die AntiHymne zu all dem, was die Nationalmannschaft an Haltungen und Tugenden verkörpert. ie Politik beeilte sich, den Fußballern zu gratulieren. Das gehört sich. Noch wichtiger wäre es, ließe sich die politische Klasse vom Esprit und Ethos dieser Mannschaft inspirieren und befeuern. Von ihr kann das Land lernen. Glückwunsch.
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