Warum Patienten sich doch nicht fürchten müssen
Konflikt zwischen Ärztekammer und Krankenkassen um primäre Versorgungszentren verunsichert alle – die Hintergründe.
Der Gesamtvertrag der niedergelassenen Ärzte wird gekündigt!“„Ärztekammer will nicht Mittäter sein, wenn die wohnortnahe ärztliche Versorgung aufgegeben wird!“„Patienten müssen selbst zahlen, wenn es zu keiner Einigung im Streit zwischen Ärztekammer und Krankenkassen kommt!“„Panikmache der Ärzte, Ärztekammer ist ein Verhinderungsverein!“
Solche Sätze bestimmten zuletzt die Kommunikation zwischen Krankenkassen und Ärztekammer, in der Steiermark zwischen GKK-Obfrau Verena Nussbaum und Ärztekammer-Präsident Herwig Lindner. Auslöser: die zukünftigen primären Versorgungszentren, die die Patienten-Betreuung in Randzeiten verbessern und überhaupt grundlegend verändern sollen. In diesen Zentren sollen mehrere Ärzte mithilfe von unterschiedlichen Gesundheitsprofessionen die primäre Versorgung übernehmen – und so überfüllte Spitalsambulanzen entlasten. ie Grundidee klingt exzellent. Bloß wurde bis heute – also über ein Jahr nach der politischen Ankündigung im Bund – noch immer nicht ausverhandelt, wie diese Zentren aufgesetzt und abgerechnet werden. Es war bisher nicht einmal möglich, Zentren dort, wo man sie dringend benö-
Dtigt – in Randgebieten wie Mariazell etc. – zu installieren. skaliert ist die Diskussion jetzt deshalb, weil Politik und Krankenkassen ankündigten, dass für primäre Versorgungszentren Einzelverträge, auch mit externen Anbietern, gemacht werden könnten. Das heißt, dass man damit den Kollektivvertrag der niedergelassenen Ärzte („Gesamtvertrag“) aushebeln könnte. Die Bahn wäre frei für zum Beispiel deutsche Medizinbetriebe, hierzulande Ärztezentren zu installieren. Aufgrund ihrer Kostenstruktur könnten sie günstiger als heimische Ärzte arbeiten. ie Wunden liegen aber noch tiefer. Vor den primären Versorgungszentren wurden die Ärzte-GmbHs als Zukunftsmodell abgefeiert. Doch Kassen und Ärztekammer konnten sich nicht über die Kosten einigen. Die Kassen verlangten Abschläge (Tenor: „Wenn mehr Ärzte arbei-
EDten, kommen mehr Patienten, damit verdienen sie mehr Geld“). Die Ärztekammer entgegnete: Mehr Arbeitszeit bedeute mehr Personal – und mehr Kosten. Letztlich scheiterten die ÄrzteGmbHs. ass jetzt die Kassen mit primären Versorgungszentren und Einzelverträgen mit ausländischen Anbietern die heimischen Ärzte doch austricksen könnten, wird als schweres Foul betrachtet. Die Skepsis ist ohnehin groß, weil den Kassen unterstellt wird, sie seien an überfüllten Spitalsambulanzen nicht ganz unschuldig. Dort sind Leistungen gedeckelt und für die Kassen ist das um Millionen Euro günstiger als die Behandlung der Patienten bei niedergelassenen Ärzten. Die Kassen beharren hingegen darauf, dass es ausreichend niedergelassene Ärzte gebe. Patienten beklagen wiederum die langen Wartezeiten bei Fachärzten . . . er Karren scheint verfahren. Kommt es bei den primären Versorgungszentren zu keiner Einigung auf Zahlungsmodalitäten, will die Ärztekammer den Gesamtvertrag der niedergelassenen Ärzte selbst kündigen. Damit wäre jede Behandlung, jeder Arztbesuch bei einem Kassenarzt vom Patienten selbst zu bezahlen. Das würde obendrein bedeuten, dass alle Patienten ihre Rechnungen – von denen sie circa 80 Prozent rückerstattet bekommen – bei der Kasse einreichen müssten. Der Bürokratieaufwand wäre enorm. as alles will in Wahrheit doch niemand. Weil „nur“der Patient draufzahlen würde, zeitlich wie finanziell. Und dieses PR-Desaster können sich weder Ärztekammer noch Kassen erlauben.
DDD