Der „Engel“hob nicht ab
Uraufführung von Maja Haderlaps „Engel des Vergessens“: Ein eindrucksvoller Roman ringt in der Dramatisierung um sein Bühnenleben.
A K A D E M I E T H E AT E R W I E N
Wien und ihr Heimatort Bad Eisenkappel sind der Autorin, deren Familiengeschichte erzählt wird, wie Parallelwelten. Und dann ist da noch das Niemandsland zwischen der behaupteten und der tatsächlichen Geschichte Österreichs. Konkret geht es um den vom offiziellen Österreich lange ignorierten Beitrag der Kärntner Slowenen zum Widerstand gegen NaziDeutschland. Maja Haderlap hat diesen weißen Fleck in ihrem Roman „Engel des Vergessens“2011 zum Verschwinden gebracht. Im selben Jahr kam das Tabuthema mit Peter Handkes „Immer noch Sturm“auf die Bühne.
Balanceakt
Im Akademietheater versucht es Regisseur Georg Schmiedleitner nun mit einem zweistündigen Balanceakt zwischen Geschichtestunde, Poesie und traumatischen Erinnerungen. Da ist der von grauenhaften Kindheitserlebnissen verfolgte Vater, den Gregor Bloéb als manischen Kraftlackel anlegt, die Mutter (konsequent gespielt von Petra Morzé), die etwas anderes vom Leben will, als der entlegene Bau-
Der dramaturgische Kniff, die Erzählerin in ein junges, emphatisches Ich (Alina Fritsch) und ein reflektierendes Ich (Alexandra Henkel) zu spalten, macht die Zerrissenheit der Figur deutlich. Da ist das Kind, das begreift, dass „es die Vergangenheit ist, mit der es rechnen muss“, dort die junge Frau, die weiß, dass es trotzdem Zukunft geben muss. Zumindest ein Leitsystem für jene, die den Roman nicht gelesen haben.
Trotz der mit viel Aufwand bewegten Bretterinstallation (Bühne: Volker Hintermeier), gelungener Livemusik (Matthias Jakisic verwendet und verfremdet slowenische Volks- und Partisanenlieder) und fünf weiterer Rollen ist der Abend seltsam papieren und unsinnlich.
Es wird viel geschildert und wenig in Szene gesetzt. Beklemmende Stimmung kommt nur ansatzweise auf, etwa wenn das Summen ausschwärmender Bienen in Gewehrsalven übergeht. Der verzweifelte Humor, mit dem sich Haderlaps Menschen am Leben reiben, blitzt kaum auf.
Trotzdem: heftiger Premierenapplaus für Haderlaps „Engel“. Auch dafür, dass die erste Bühne im Land dieses Thema aufgegriffen hat.