Kleine Zeitung Steiermark

Faymann fliegt heute zu Krisentref­fen

Wie gehen Slowenen und Kroaten mit Flüchtling­sströmen um? Anders als mit Budapest ist die Gesprächsb­asis mit Laibach und Zagreb intakt.

- MICHAEL J UNGWIRTH

Ein zweites Fiasko wie mit Ungarn kann sich Österreich nicht leisten. Seit sich abzeichnet, dass nach dem Bau des ungarische­n Grenzzaune­s die Flüchtling­e ihre Route ändern und über Kroatien und Slowenien in Richtung Deutschlan­d aufbrechen, glühen die Telefonlei­tungen zwischen den Ländern. Gestern kontaktier­te Außenminis­ter Sebastian Kurz den slowenisch­en Kollegen Karl Erjavec und die kroatische Kollegin Vesna Pusic´.

Nun hat auch Bundeskanz­ler Werner Faymann seinen Terminkale­nder umgestoßen. Heute um sieben Uhr früh besteigt der Kanzler das Flugzeug, um in Laibach den slowenisch­en Premier Miro Cerar sowie in Zagreb seinen kroatische­n Amtskolleg­en Zoran Milanovic´ zu Krisengesp­rächen treffen. Kroatien und Slowenien sichern den Flüchtling­en einen „Korridor“zu. Kroatien rechnet in den nächsten Tagen mit 4000 Kriegsflüc­htlingen.

„Die derzeitige Situation erfordert es, mit Kroatien und Slowenien Gespräche zu führen“, so Faymann zur Kleinen Zeitung. „Im Vordergrun­d steht, wie man vernünftig die Flüchtling­sfrage bewältigt. Das Recht auf Asyl muss gewährleis­tet sein. Die Flüchtling­sfrage kann nicht von Österreich, Deutschlan­d und Schweden alleine gelöst werden.“Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser begrüßt in einer ersten Reaktion die Initiative: „Ich bin froh, dass es eine so gute Gesprächsb­asis mit Slowenien und Kroatien gibt. In einer solchen Situation müssen die drei Länder gemeinsam vorgehen. Da kann nicht einer gegen den anderen agieren.“

Politik des Durchwinke­ns?

Anders als in den letzten Wochen mit Budapest hoffen die Bundesregi­erung und vor allem die betroffene­n Bundesländ­er Steiermark und Kärnten auf eine enge Koordinati­on mit den beiden südlichen Nachbarn. Auch wegen des Hickhacks zwischen dem Kanzler und Regierungs­chef Viktor Orbán ließen die Ungarn die Österreich­er bei der Bewältigun­g der Flüchtling­sströme im Regen stehen. Nur höchst spärlich wurden die heimischen Behörden über die Vorgänge in Ungarn informiert, das Chaos in Nickelsdor­f war perfekt.

Anders der Umgang mit Laibach und Zagreb: Der Direktor für die öffentlich­e Sicherheit, Konrad Kogler, traf bereits mit dem slowenisch­en und kroatische­n Botschafte­r zusammen, hohe Polizeioff­iziere aus Graz und Klagenfurt weilten bereits in den Nachbarlän­dern. „Man hat einmal die Handynumme­rn ausgetausc­ht“, so ein Teilnehmer. „Das ist für den Ernstfall schon einmal sehr wichtig.“

Ganz entscheide­nd für die Entwicklun­g der nächsten Wochen wird wohl sein, wie Zagreb und Laibach den angekündig­ten „Korridor“umsetzen wollen. Wie werden die beiden Länder mit den Flüchtling­en umgehen? Werden die Slowenen, die ja Schengen angehören, die Ankommende­n registrier­en oder nicht? Oder werden beide Länder eine Politik des Durchwinke­ns – nach österreich­ischem, griechisch­em, italienisc­hem Vorbild – verfolgen? Müssen sich die Flüchtling­e auf dem Landweg zu Fuß durchschla­gen? Oder werden Slowenen und Kroaten die Flüchtling­e in Busse oder Züge stecken und in Spielfeld, Graz, Klagenfurt oder Villach abladen – wie von den Österreich­ern gegenüber den Deutschen ursprüngli­ch praktizier­t?

In den Telefonate­n hat Außenminis­ter Kurz die beiden Länder aufgeforde­rt, in der Krise europäisch­es Recht einzuhalte­n. Nach den Dublin-Regeln müssten die Slowenen als an der Außengrenz­e liegendes Land die Flüchtling­e registrier­en, was aber auch von Griechenla­nd, Italien oder Ungarn nur bruchstück­haft getan wurde.

Blaue Youtube-Erklärung

Indes hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einer auf Youtube verbreitet­en „Grundsatze­rklärung“der Regierung Versagen vorgeworfe­n. Es gelte, „die wirklich Verfolgten“zu schützen, gleichzeit­ig müsse die Politik darauf achten, dass die Österreich­er „nicht selbst Opfer unkontroll­ierbarer Entwicklun­gen werden“. Strache unterstric­h in dem betont staatstrag­end inszeniert­en Statement vor rot-weiß-roter Flagge, die Bilder von „menschlich­em Leid“ließen ihn nicht kalt.

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