Faymann fliegt heute zu Krisentreffen
Wie gehen Slowenen und Kroaten mit Flüchtlingsströmen um? Anders als mit Budapest ist die Gesprächsbasis mit Laibach und Zagreb intakt.
Ein zweites Fiasko wie mit Ungarn kann sich Österreich nicht leisten. Seit sich abzeichnet, dass nach dem Bau des ungarischen Grenzzaunes die Flüchtlinge ihre Route ändern und über Kroatien und Slowenien in Richtung Deutschland aufbrechen, glühen die Telefonleitungen zwischen den Ländern. Gestern kontaktierte Außenminister Sebastian Kurz den slowenischen Kollegen Karl Erjavec und die kroatische Kollegin Vesna Pusic´.
Nun hat auch Bundeskanzler Werner Faymann seinen Terminkalender umgestoßen. Heute um sieben Uhr früh besteigt der Kanzler das Flugzeug, um in Laibach den slowenischen Premier Miro Cerar sowie in Zagreb seinen kroatischen Amtskollegen Zoran Milanovic´ zu Krisengesprächen treffen. Kroatien und Slowenien sichern den Flüchtlingen einen „Korridor“zu. Kroatien rechnet in den nächsten Tagen mit 4000 Kriegsflüchtlingen.
„Die derzeitige Situation erfordert es, mit Kroatien und Slowenien Gespräche zu führen“, so Faymann zur Kleinen Zeitung. „Im Vordergrund steht, wie man vernünftig die Flüchtlingsfrage bewältigt. Das Recht auf Asyl muss gewährleistet sein. Die Flüchtlingsfrage kann nicht von Österreich, Deutschland und Schweden alleine gelöst werden.“Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser begrüßt in einer ersten Reaktion die Initiative: „Ich bin froh, dass es eine so gute Gesprächsbasis mit Slowenien und Kroatien gibt. In einer solchen Situation müssen die drei Länder gemeinsam vorgehen. Da kann nicht einer gegen den anderen agieren.“
Politik des Durchwinkens?
Anders als in den letzten Wochen mit Budapest hoffen die Bundesregierung und vor allem die betroffenen Bundesländer Steiermark und Kärnten auf eine enge Koordination mit den beiden südlichen Nachbarn. Auch wegen des Hickhacks zwischen dem Kanzler und Regierungschef Viktor Orbán ließen die Ungarn die Österreicher bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme im Regen stehen. Nur höchst spärlich wurden die heimischen Behörden über die Vorgänge in Ungarn informiert, das Chaos in Nickelsdorf war perfekt.
Anders der Umgang mit Laibach und Zagreb: Der Direktor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, traf bereits mit dem slowenischen und kroatischen Botschafter zusammen, hohe Polizeioffiziere aus Graz und Klagenfurt weilten bereits in den Nachbarländern. „Man hat einmal die Handynummern ausgetauscht“, so ein Teilnehmer. „Das ist für den Ernstfall schon einmal sehr wichtig.“
Ganz entscheidend für die Entwicklung der nächsten Wochen wird wohl sein, wie Zagreb und Laibach den angekündigten „Korridor“umsetzen wollen. Wie werden die beiden Länder mit den Flüchtlingen umgehen? Werden die Slowenen, die ja Schengen angehören, die Ankommenden registrieren oder nicht? Oder werden beide Länder eine Politik des Durchwinkens – nach österreichischem, griechischem, italienischem Vorbild – verfolgen? Müssen sich die Flüchtlinge auf dem Landweg zu Fuß durchschlagen? Oder werden Slowenen und Kroaten die Flüchtlinge in Busse oder Züge stecken und in Spielfeld, Graz, Klagenfurt oder Villach abladen – wie von den Österreichern gegenüber den Deutschen ursprünglich praktiziert?
In den Telefonaten hat Außenminister Kurz die beiden Länder aufgefordert, in der Krise europäisches Recht einzuhalten. Nach den Dublin-Regeln müssten die Slowenen als an der Außengrenze liegendes Land die Flüchtlinge registrieren, was aber auch von Griechenland, Italien oder Ungarn nur bruchstückhaft getan wurde.
Blaue Youtube-Erklärung
Indes hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einer auf Youtube verbreiteten „Grundsatzerklärung“der Regierung Versagen vorgeworfen. Es gelte, „die wirklich Verfolgten“zu schützen, gleichzeitig müsse die Politik darauf achten, dass die Österreicher „nicht selbst Opfer unkontrollierbarer Entwicklungen werden“. Strache unterstrich in dem betont staatstragend inszenierten Statement vor rot-weiß-roter Flagge, die Bilder von „menschlichem Leid“ließen ihn nicht kalt.