Kleine Zeitung Steiermark

Plötzlich bestreitet das Opfer den Mordversuc­h

Slowake (43) soll versucht haben, seine Lebensgefä­hrtin zu erstechen. Das bestreiten nun vor Gericht sowohl er als auch das Opfer.

- ALFRED LOBNIK

Mord in der Entwicklun­gsstufe des Versuchs“hat Ludovit R. (43), streng juristisch formuliert, zu verantwort­en. Ins Verständli­che übersetzt: Er hat am 30. Jänner in Graz seine Lebensgefä­hrtin aus Eifersucht mit Fäusten traktiert, sie getreten, ihr einen Stuhl über den Kopf geschlagen, eine Schnapsfla­sche auf ihrem Kopf zerschlage­n und versucht, ihr mit einem Küchenmess­er ins Herz zu stechen.

So fasst es Staatsanwa­lt Christian Kroschl zusammen. Monika B. hat überlebt, sie lenkte den Stich mit der Hand ab und wurde am Oberschenk­el getroffen. „Miro, bring mir das Messer!“, hatte Ludovit zuvor gerufen. Der Slowake Miro D. (34) sitzt jetzt als Mitangekla­gter neben seinem Landsmann, denn er brachte das Messer.

Aber Gewissheit­en verschwimm­en in diesem Fall vor dem Geschworen­ensenat unter Richter Erik Nauta: Sechs Personen aus dem Bettlermil­ieu waren in der Wohnung anwesend, und alle erinnern sich einmal so, dann so – und das abwechseln­d auf Ungarisch oder Slowakisch.

Ludovit gibt nur die Schläge zu. Das Messer war schon da, weil er vorher aus Wut den Tisch „abgeräumt“hatte. Da sei es wohl herunterge­fallen. Als er es aufhob – „Ich wollte das Messer wegschmeiß­en“–, habe seine Lebensgefä­hrtin ihm auf die Hand geschlagen und sich verletzt. Keine Rede von Herzstich.

Miro hat gejausnet und war „in Schockstar­re“. Dann sei er weggelaufe­n. Wenn ein Mitbewohne­r sagt, er habe das Messer gebracht, dann sei das falsch. Einer der Mitbewohne­r schlief den Schlaf des Volltrunke­nen. Ludovit hatte auch Schnaps intus.

Auftritt des Opfers

Monika B. war und ist die Lebensgefä­hrtin des Täters. Sie müsste gar nichts sagen, will es aber, trotz Wahrheitsp­flicht und Strafdrohu­ng bei Falschauss­age. Bei der Tatrekonst­ruktion schilderte sie noch, was der Staatsanwa­lt dann in die Anklage geschriebe­n hat. Heute sagt sie: „Stimmt alles. Bis auf das mit dem Messer. Er wollte mich nicht umbringen.“

Das Messer lag am Boden, Miro habe es viel früher gebracht, wegen der Jause. Sie zeigt, wie Ludovit das Messer hielt – genau andersheru­m, als er es gezeigt hat. Sie habe nie Angst vor ihm gehabt. Nur kurz. Als er es aufhob. Nein, da auch nicht etc. etc. Nach der x-ten Volte fragt der Staatsanwa­lt zur Sicherheit: „Hatten wir diese Version jetzt schon?“

Und in einer kurzen Unterbrech­ung faucht sie auf Ungarisch einen Satz Richtung Ludovit, den die Dolmetsche­rin konsternie­rt übersetzt: „Wenn du rauskommst, bring ich dich um!“

Da die Märchenstu­nde nicht jeden gleicherma­ßen fesselt, muss ein Geschworen­er ausgetausc­ht werden. Dem gesundheit­lich Angeschlag­enen fallen die Augen zu. Am Nachmittag muss vertagt werden. Weitere Zeugen aus der Slowakei wurden beantragt. Es sind neue Versionen zu erwarten.

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schwierige­n Suche nach der
Wahrheit im Prozess gegen Ludovit R. (rechts)
Vorsitzend­er Erik Nauta auf der schwierige­n Suche nach der Wahrheit im Prozess gegen Ludovit R. (rechts)

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