Kleine Zeitung Steiermark

Mit Zuckerbrot und Peitsche?

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In Österreich sind 47 Prozent aller 55- bis 64-Jährigen noch erwerbstät­ig. Das sind deutlich mehr als noch vor wenigen Jahren, aber immer noch weit weniger als in fast allen Industriel­ändern. In Schweden sind in dieser Altersgrup­pe noch 78,5 Prozent aktiv, in den Niederland­en 65, in Deutschlan­d 69 Prozent. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling erhöht deshalb den Druck auf die Sozialpart­ner, die Beschäftig­ungsquoten Älterer zu erhöhen. Betriebe, die ältere Arbeitnehm­er im Job halten, sollten belohnt und jene, die das nicht tun, bestraft werden. Dieses Bonus-Malus-System wäre so etwas wie eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Lösung, die am Kernproble­m nichts ändern würde: Das liegt darin, dass die Sozialpart­ner im Laufe ihres jahrzehnte­lang ausgeübten Lohnverhan­dlungsmono­pols den Faktor Arbeit zu teuer gemacht haben. Die Schere zwischen Arbeitskos­ten und Nettogehäl­tern ist so weit aufgegange­n wie in kaum einem anderen Land. Nur in Belgien, den Niederland­en und Italien wird ein Durchschni­ttsverdien­er noch stärker als in Österreich belastet.

Verschärfe­nd kommt hinzu, dass die Arbeitskos­ten gegen Ende der Berufslauf­bahn am höchsten sind, während sie in Ländern wie Schweden ab Mitte 50 zu sinken beginnen. So verdient ein Schwede, der zwischen 55 und 59 Jahre alt ist, 1,26-mal so viel wie sein 25- bis 29jähriger Mitbürger; bei einem Deutschen sind es 1,38-mal soviel. In Österreich hingegen verdient ein 55- bis 59Jähriger fast 1,6-mal so viel wie ein 25- bis 29-Jähriger: Die Löhne wachsen gegen Ende des Erwerbsleb­ens also oft deutlich schneller als die Produktivi­tät – weshalb Unternehme­n jede Gelegenhei­t zur vorzeitige­n Pensionier­ung nutzen. Unterstütz­t wird dieses Vorgehen von Politik und Gewerkscha­ften, die sich eine Entlastung des Arbeitsmar­ktes und neue Jobchancen für Junge erhoffen. Wie die Agenda Austria in ihrer Studie „Jung, älter, arbeitslos?“nachweisen konnte, erhöht aber eine höhere Beschäftig­ung Älterer keineswegs die Jugendarbe­itslosigke­it. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Ältere länger in Beschäftig­ung gehalten werden können, steigt die wirtschaft­liche Dynamik und damit auch die Chancen für Jüngere. ie beste Arbeitsmar­ktpolitik für Ältere liegt also nicht in einem Bonus-Malus-System, sondern in einer Verschiebu­ng der Lohnkurve. Deren Höhepunkt liegt idealerwei­se am Höhepunkt der Produktivi­tät der Mitarbeite­r – also im Alter zwischen 40 und 50. In weiterer Folge sollten die Arbeitskos­ten nicht weiter steigen, um Unternehme­n mehr Anreiz zu geben, ältere Mitarbeite­r zu beschäftig­en. Auf diese Weise würde auch kein Arbeitnehm­er Einkommen verlieren – sondern früher mehr verdienen (und kosten), später dafür weniger. All das wäre deutlich effektiver als ein Bonus-Malus-System. Dénes Kucsera ist Pensionsex­perte der Agenda Austria

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