Keith und das Herz mit den gekreuzten Augen
Keith Richards auf Solopfaden. Muss das sein?
Seien wir ehrlich: Wenn Mick bei Stones-Konzerten verkündet, dass jetzt Keith an der Reihe ist, geht unsereins, Pardon, pinkeln. So sehr wir die versiffte Seele unseres Lieblingssteines auch schätzen, aber ein Alleinunterhalter war „Kiff “noch nie. Und ein Sänger schon gar nicht.
Wird er auch nicht mehr werden. Mit „Crosseyed Heart“hat der inzwischen 72 Jahre alte Überlebenskünstler sein drittes Soloalbum vorgelegt. Muss das sein? Braucht das jemand? Nun, jein. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten, dieser Platte zu begegnen. Die erste: Diese CD ist eine Sammlung von Durchschnittssongs, ohne die man auch gut weiterleben kann. Keith ist ein begnadeter Riffritter, aber ein grenzwertiger Vokalist und ohne Mick offenbar auch nicht fähig, die großen Rock-Hadern in die Ewigkeit zu meißeln. Das ist die erste Möglichkeit. Die zweite ist ungleich spannender. Mit dem Titelsong gibt Richards das Thema vor und es lautet schlicht: Blues. Keith snifft, Keith rülpst, Keith zupft sich auf der Akustischen durch eine archaische Sumpflandschaft, die nahe des Mississippi liegt. Wo sonst?
Was folgt, ist eine hoffnungslos altmodische, aber umso reizvollere Abfolge an Rock und Roll und Rumpeln und Röcheln. Das Motto des Tages lautet: Ich habe keines. Oder höchstens: Ich pfeif auf alle Moden und Konventionen. Richards hat natürlich die besten Musiker und Produzenten an Bord, aber auch diese können der Unpoliertheit des Chefs nichts anhaben.
Fazit. Brauchen wir so ein Album? Ja, unbedingt! Weil es zeitlos ist. Und unperfekt. Und eckig. Und unschön. Und unmodisch. Kurz: Gegen den Strich.