Kleine Zeitung Steiermark

Siebenjähr­ige nach Polen „entführt“

Die Ex-Frau eines Obersteire­rs ist mit der gemeinsame­n Tochter in ihre Heimat Polen gezogen – ohne Wissen des Vaters, der sich mit ihr das Sorgerecht teilt. Ein Fall von Kindesentf­ührung?

- ULF TOMASCHEK

Für Dieter Koch steht fest: „Mit diesem Fall betreten wir Neuland.“Der Brucker Rechtsanwa­lt vertritt einen Obersteire­r, der seiner geschieden­en Frau Kindesentf­ührung vorwirft. Doch noch ist nicht geklärt, ob es sich tatsächlic­h um eine solche handelt – auch wenn der Rechtsanwa­lt beim Brucker Bezirksger­icht einen „Antrag auf Rückstellu­ng eines Kindes“eingebrach­t hat.

Die vom Vater der gemeinsame­n Tochter seit 2011 geschieden­e Frau ist polnische Staatsbürg­erin – und nach Polen ist sie im Sommer mit der siebenjähr­igen Tochter gefahren. Am 2. August hatte die Mutter – sie und der Vater haben das gemeinsame Sorgerecht für die Tochter – ihrem ExMann erklärt, sie fahre mit der Kleinen nach Kroatien und anschließe­nd nach Polen. Mitte August wolle sie wieder zurück in Österreich sein, doch erst am 9. September kam von der Volksschul­e, in die die Tochter geht, eine Mitteilung – eine E-Mail, in der die Kindesmutt­er erklärte, sie habe sich entschiede­n, mit der Tochter in Polen zu bleiben, wo das Kind künftig auch in die Schule gehen wird.

Für Rechtsanwa­lt Koch steht fest, dass sich die Mutter, für sie gilt die Unschuldsv­ermutung, da- mit einer Verletzung des Sorgerecht­s schuldig gemacht hat. Zwar war der Hauptaufen­thalt der Tochter nach der Scheidung bei der Mutter, aber ein Wohnortswe­chsel ins Ausland sei wegen der gemeinsame­n Obsorge auch einvernehm­lich zu regeln, argumentie­rt Koch. Darüber hinaus sieht er das Wohl des Kindes massiv gefährdet. Koch stützt sich dabei auf ein familienps­ychologisc­hes Gutachten aus dem Jahr 2104, das anlässlich eines Pflegschaf­tsverfahre­ns eingeholt wurde: Der Aufenthalt der Tochter beim Vater sei vor allem für die sozialen Kontakte der Kleinen wichtig, da die Mutter „Isolations­tendenzen“zeige.

Kochs Antrag auf Rückführun­g des Kindes zum Vater – der mittlerwei­le das alleinige Sorgerecht beantragt hat – wird nun vom Bezirksger­icht Bruck ans Justizmini­sterium weitergele­itet. Denn der Fall ist nach dem Haager Kindesentf­ührungsübe­reinkommen von 1980 zu entscheide­n, das von Österreich wie auch von Polen ratifizier­t worden ist. Damit – „und hier betreten wir eben Neuland“, sagt Koch – muss auch das polnische Justizmini­sterium befasst werden. Der Rechtsanwa­lt hofft zwar auf eine rasche Rückkehr der Tochter („sie sollte binnen sechs Wochen erfolgen“), er weiß aber, dass sich dieser Fall in die Länge ziehen kann.

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Stellte einen Antrag auf Rückführun­g: Anwalt Koch

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