„Nicht jeder, der Angst hat, ist unanständig“
Politologe Plasser glaubt nicht an ein Duell.
In zwei Wochen wählt Wien. Ist Oberösterreich der große Turbo für Strache oder nicht auch für Häupl? FRITZ PLASSER: Beides. Die Wiener SPÖ wird noch stärker das Wahlkampffinale auf das Argument zuspitzen: Wer ein blaues Wien verhindern will, muss Häupl wählen. Die Zuspitzung geht zulasten der ÖVP und der Grünen und kann den Einzug der Neos infrage stellen. Synchron gibt es den zweiten Effekt: dass Personen, die die Flüchtlingskrise mit Sorge verfolgen und bisher mit der FPÖ nur sympathisiert haben, erstmals Strache wählen.
Welcher Turbo ist stärkere? PLASSER: Das ist schwer zu prophezeien. Eines ist aber klar: Das Kopf-an-Kopf-Rennen ist eine reine Wahlkampfinszenierung, die am 11. Oktober nicht eintreten wird.
Sie sind sich wirklich sicher? Man kann ja davon ausgehen, dass sich die Flüchtlingskrise in den nächsten zwei Wochen noch weiter zuspitzen wird. PLASSER: Bei einem echten Kopfan-Kopf-Rennen müsste die FPÖ, die heute bei 25 Prozent liegt, noch zehn Prozentpunkte zulegen. Es stellt sich eher die Frage, wie groß der Vorsprung der SPÖ vor der FPÖ sein wird. Wenn es drei bis vier Prozent sind, wäre es ein echtes Debakel. Bei sechs bis sieben Prozent wäre es kein Desaster, aber immer noch schmerzhaft. In beiden Fällen wäre die Metapher des „roten Wien“den Geschichtsbüchern überlassen.
Ist Häupl nach dem blauen Vormarsch in Oberösterreich wirklich gut beraten, an seinem Kurs festzuhal-
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der ten? PLASSER: Der SPÖ bleibt nichts anderes übrig, als in den letzten beiden Wochen ihren eingeschlagenen Kurs fortzusetzen. Alles andere würde weitere Türen in Richtung FPÖ öffnen. Die ÖVP-Formulierung von Asyl à la carte zu übernehmen, würde ich Häupl nicht empfehlen. Die jetzige Häupl-Linie finde ich argumentativ etwas verknappend. Einfach zu sagen „Wir sind anständig. Punkt“ist nicht optimal.
Er sollte nach rechts abdriften? PLASSER: Es geht nicht darum, Anleihen bei Strache zu nehmen. Es geht um eine differenzierte Positionierung, die man breiter erläutert. Die täglichen Bilder führen zu einer tiefen Verunsicherung der Wählerschaft. Die Wähler wollen Antworten und erwarten sich, dass man sie ernst nimmt, wenn sie ihre Ängste artikulieren. Man kann nicht so tun, als ob jeder, der Ängste artikuliert, ein Freiheitlicher und damit unanständig ist.
Hat Strache noch Luft oben? Wo ist das Limit? PLASSER: Die FPÖ liegt bundesweit bei 32 Prozent, über 30 Prozent waren die Freiheitlichen bisher nur einmal, Ende Jänner 2000 zu Beginn von SchwarzBlau. Die Situation hat sich ja sehr geändert. Früher musste man bei Umfragen die Anzahl der deklarierten FPÖ-Wähler verdoppeln, heute halten Freiheitliche nicht mehr mit ihrer Gesinnung hinter den Berg. Eine Obergrenze ist schwer auszumachen, denn es hängt mit dem Versagen der politischen Eliten ab.
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