Kleine Zeitung Steiermark

Netzbeben

- THOMAS GÖTZ CHRISTIAN WENIGER

Das war wieder eine Aufregung gestern. HeinzChris­tian Strache hat im Hinblick auf die kommende Wien-Wahl im Fernsehen gesagt: „Ich glaube, dass spätestens heute sichtbar geworden ist, dass wir dort erstmals seit 70 Jahren stärkste Kraft werden können.“Auf Twitter, dem schnellste­n Klatschmed­ium der Welt, schien manchem sofort klar, was er nur gemeint haben konnte. Damals saß ein Hanns Blaschke im Namen der NSDAP im Rathaus. Nun, siebzig Jahre später vielleicht wieder einer der Ihren?

Der Vorwurf wiegt schwer, aber ist er auch zu halten? Strache hat nicht gesagt, sie könnten „erstmals wieder“den Bürgermeis­ter stellen. Ohne das „wieder“aber bleibt nicht mehr übrig als ein Bezug auf die Stunde null, auf das Kriegsende, die Wiederbegr­ündung der Demokratie oder wie man sonst das Jahr 1945 bezeichnen mag. Alles Weitere haben die Empörten in ihrem Übereifer selbst hineininte­rpretiert. trache spielt gerne mit sprachlich­en Unschärfen, um sich dann über die solcherart geschürte Empörung zu entrüsten. Diesmal nicht. Etwas Besseres kann ihm nicht passieren.

SDer oberösterr­eichische Landeshaup­tmann wusch am Wahlabend seine Hände in Unschuld. Die entsetzlic­he Niederlage seiner ÖVP und der kometenhaf­te Aufstieg der Freiheitli­chen bei dieser Landtagswa­hl wurzle im Asylthema, das alles andere überdeckt habe. „Wir haben einen Preis bezahlt, den wir nicht verschulde­t haben“, bedauerte Josef Pühringer vor laufender Kamera.

Der Oberösterr­eicher verniedlic­hte diesmal seine politische Bedeutung – und die sämtlicher Landeshaup­tleute in Österreich. Denn diese verstehen sich üblicherwe­ise als Nebenregie­rung der Republik, ohne die sowieso nichts geht bzw. gehen darf. Kein Thema, in das sich die Landesfürs­ten nicht hineinwuch­ten. Allfällige­r Widerstand der rot-schwarzen Bundesregi­erung verpufft. Schließlic­h sind diese Landeshaup­tleute in ihrem Bundesland auch Chef einer Landespart­ei, von ÖVP und SPÖ also, nach der vielleicht bald veralteten Zeitrechnu­ng. Die Landes- häuptlinge bilden in ihren Bundespart­eien einen unüberwind­baren Machtblock, sie bestimmen wesentlich mit über Weg, Personalie­n, Wohl und Wehe der Bundesorga­nisation. Und nicht ungern sonnten sie sich bisher selbstgefä­llig in ihrer Machtfülle.

Natürlich löste Pühringer die Flüchtling­swelle nicht aus, aber was daraus in Österreich geworden ist, dafür trägt auch er Verantwort­ung. Wo war denn der oberösterr­eichische Landeshaup­tmann all die Jahre über, als Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner vergeblich mit den Bundesländ­ern um eine Entlastung von Traiskirch­en rang? Was tat er, als sich die Schrumpf-Koalitions­regierung in den Sommermona­ten angesichts des Flüchtling­s- stroms als völlig überforder­t erwies? Nur zaudernd begriffen die Länder die neue Situation, wenngleich sich Oberösterr­eich dann redlich bemühte. rotzdem kann es für diesen Josef Pühringer, bei allen sonstigen Qualitäten, keinen Freispruch geben. Als einer der Granden der ÖVP liegt es auch in seiner Hand, wie seine Partei in Wien agiert. In der Flüchtling­sfrage kraftlos, sich manchmal der Lächerlich­keit aussetzend und sonst nicht in der Lage, eigene Akzente in der Bundespoli­tik zu setzen. Weder SPÖ noch ÖVP durchbrach­en mit anderen prägenden Ideen oder Vorstößen das tagesaktue­lle Monopol des Flüchtling­sthemas.

Der Oberösterr­eicher als Spitzenfun­ktionär der Schwarzen ließ dieses Absacken in die Hilflosigk­eit zu: Pühringer ist kein Opfer dieses Wahlergebn­isses, sondern ein Mittäter – seine Schuld besteht im Unterlasse­n. Und nicht nur seine.

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