Schlampige Polizeiarbeit wirft Fragen im Prozess auf
57-jähriger Wiener steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.
Es war nicht das erste Mal, dass sich am 16. April in der Wohnung in Wien-Leopoldstadt gewalttätige Szenen abspielten. Ein 57-jähriger Wiener Taxifahrer soll der Frau, mit der er seit 15 Jahren liiert war, schon länger mit rasender Eifersucht nachgestellt haben. Als es der 35jährigen Krankenschwester im Sommer 2014 zu viel wurde und sie Trennungswünsche äußerte, kam es zu Handgreiflichkeiten. Nach zwei Polizeieinsätzen begab sich der Mann im November in Behandlung, weil er den Zwang verspürte, seine Frau zu kontrollieren, wie er eingestand.
Erfolgreich dürfte die Therapie jedoch nicht verlaufen sein: Anfang April entdeckte der Taxifahrer einen in seinen Augen verdächtigen Eintrag im Kalender seiner Freundin. Im Zuge seiner Vorwürfe soll er der Frau mit einem Küchenmesser drei Mal in den Kopf gestochen haben. Dass die 35-Jährige nicht umkam, dürfte sie ihrem elfjährigen Sohn zu verdanken haben. „Er hat seiner Mutter sicherlich das Leben gerettet“, sagte Staatsanwalt Markus Göschl. Denn als der Bub sah, wie der Vater weiter zustechen wollte, griff er nach einem Mes- ser und rammte es dem 57-Jährigen in den Rücken. „Ich wollte nur, dass er aufhört“, sagte der Elfjährige als Zeuge zu seinen Beweggründen. Er habe daher „sicher nur einmal“zugestochen, gab der Schüler zu Protokoll.
Mehrere Stichwunden
Der Vater wies allerdings außer den zwei Verletzungen im Rücken noch zwei weitere im Brustbereich auf. Der 57-Jährige bekannte sich „nicht schuldig“und behauptete, letztere hätte ihm seine Freundin zugefügt, „weil ich sie geschlagen habe“. Er habe sich lediglich verteidigt. Die 35Jährige aber betonte in ihrer Einvernahme, „zu keinem Zeitpunkt ein Messer in der Hand gehabt“zu haben. Der Gerichtsmediziner hält es indessen für „nicht unrealistisch“, dass der Bub für alle vier Stiche verantwortlich war. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Schüler zugebilligt, in Notwehr gehandelt zu haben.
Die Verteidigung kritisierte ungewohnt scharf die „schlampige“Polizeiarbeit. Die Tatortgruppe des Landeskriminalamts sei „wegen so einer Gschicht“nicht ausgerückt. Nicht alle Messer seien untersucht worden, was es schwierig mache, die tatsächlichen Abläufe zu rekonstruieren.
Die Verhandlung wurde zur Ladung von zwei erkrankten Zeugen auf 4. November vertagt.