Zeit für die Entscheidung
Alle haben gewusst, wie die Landtagswahl in Oberösterreich ausgehen wird, noch bevor sie überhaupt stattgefunden hat. Dazu brauchte man keine Meinungsforscher. Mancher kluge Kommentator schrieb seinen Artikel zur Wahl überhaupt schon am Tag vorher. Er konnte sich schwerlich irren. Dass das Thema Flüchtlinge alles beherrschen würde, war keine Überraschung. Für zwei Drittel der Wähler war es das wichtigste Motiv ihrer Entscheidung, unter den FP-Wählern für 83 Prozent. Nicht einmal das Ausmaß der Zugewinne der FP löste noch Erstaunen aus.
Die Beteuerungen von Politikern und Kirchenmännern, sie hätten ja Verständnis für die Ängste und Sorgen der Menschen angesichts der weitgehend ungesteuerten Zuwanderung, konnten nur als Hohn empfunden werden. Man glaubte ihnen nicht, weil sie zu keinerlei Konsequenzen führten. Die Menschen merkten, dass das nicht ernst gemeint war und nur der Beruhigung diente, sie spürten wohl auch den Gestus der moralischen Überlegenheit und der Verachtung, mit dem das gesagt wurde. Dass der Staat bei einer seiner Grundaufgaben, der Kontrolle der Grenzen, faktisch abgedankt hat, trägt auch zum massiven Verlust des Vertrauens in die Politik bei.
SPÖ und ÖVP können jetzt der Frage nicht mehr ausweichen, wie sie’s mit der FPÖ halten – nicht nur in Oberösterreich, sondern überhaupt. Man muss mit der FPÖ keine Koalition bilden, nur weil sie so groß geworden ist. Mehrheiten gegen sie sind so legitim wie Mehrheiten mit ihr. Es gibt aber auch keinen Grund, die FPÖ prinzipiell auszuschließen. Wenn der Grüne Alexander Van der Bellen in einem Interview erzählt, als Bundespräsident würde er eine Regierung mit der FPÖ nicht akzeptieren, ist das eine gefährliche Drohung und disqualifiziert ihn als Kandidaten für das Amt. Offensichtlich will er die Lehre daraus, wie es Thomas Klestil im Jahr 2000 ergangen ist, justament nicht ziehen.
Die SPÖ hat die Entscheidung schon getroffen: Wenn’s drauf ankommt, ist auch die FP ein Koalitionspartner. Das wäre übrigens – man muss daran erinnern – keine Premiere. Eine rot-blaue Koalition im Bund hat es schon von 1983 bis 1986 gegeben. Zu behaupten, die FPÖ wäre „liberaler“gewesen als heute, ist lächerlich. Das Burgenland wird für den nächsten Anlauf wohl nur der Probelauf gewesen sein. Die Hemmschwelle ist damit jedenfalls deutlich gesenkt. ie ÖVP in Oberösterreich könnte dieser Entscheidung noch ausweichen, weil das Proporzsystem auch ein Regieren ohne formelle Koalition ermöglicht. Die FPÖ sollte aber möglichst bald auf den Prüfstand für ihre Versprechungen gestellt werden. Womöglich den Wunsch der Grünen nach einer schwarz-rot-grünen Koalition zu verwirklichen, wäre nur eine Flucht vor der Entscheidung. Hans Winkler war Leiter der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung
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