Kleine Zeitung Steiermark

Der Urlaubszau­ber als Stunde der Illusionis­ten

Mehr Urlaub? Ja, eh. Aber die Musik spielt woanders.

- ERNST SITTINGER

Der Herbst zieht ins Land, der Urlaub ist verbraucht, und jetzt kann man natürlich trefflich fragen: Wer möchte sie nicht? Die sechste Urlaubswoc­he ist – für sich genommen – eine No-nanet-Forderung. Kurzarbeit einmal anders! Bezahlte Freizeit kann man im „Land der Berge“und der Frühpensio­nisten nie genug haben.

Soweit der Jux an der Sache, und viel mehr ist derzeit noch nicht am Tisch. Zwar kann man über Leistungsd­ruck, betrieblic­he Gesundheit, Arbeitskos­ten und Soziallast­en immer nachdenken. Doch der Gesprächsr­ahmen deutet diesmal eher auf kreuzfidel­en Unernst hin.

Wenn die Unternehme­r vor der Tarifrunde eine „Arbeitszei­t-Garantie“fordern, ist das ziemlich kühn. Ebenso gut könnten sie konstante Rohstoff- und Energiepre­ise verlangen, denn auch diese Größen haben Einfluss darauf, welche Löhne sich Firmen leisten können. In Wahrheit ist es Kern des Unternehme­rtums, kommende Risiken (auch sozialpoli­tische!) abzuschätz­en und auf dieser fragilen Basis zu kalkuliere­n.

Aber das Urlaubsthe­ater war sowieso nur inszeniert – als Querschuss gegen die ungeliebte­n überbetrie­blichen Lohnrunden. Der Schuss ging insofern nach hinten los, als eine schon mehr oder minder still begrabene Gewerkscha­ftsforderu­ng nun plötzlich wieder ganz oben auf der Agenda steht.

Anderersei­ts ist klar, dass mitten im scharfen globalen Standortre­nnen die sechste Woche für alle nicht kommen kann. Zumindest nicht so, wie die Gewerkscha­ft sich das vorstellt, also als zusätzlich­e Wohltat zu Produktivi­täts- und Inflations­abgeltung, Vorrückung­en und Steuerrefo­rm.

Der noch höhere Schutz für wenige würde mit Sparpro- grammen, Jobabbau und der nochmalige­n Verteuerun­g der Arbeitskos­ten von Älteren erkauft. Ob das angesichts von im Schnitt 38 Urlaubs- und Feiertagen jährlich ein guter Tausch ist? Bei Löhnen wird die Abflachung der (Gehalts-)Kurve verlangt, bei Freizeit will man sie jetzt wieder steiler machen.

Man kann natürlich den Geist der ominösen „Hacklerreg­elung“beschwören und das Bild vom armen, in 25 Jahren geschunden­en Wanderarbe­iter malen. Der „Hackler“wurde oft missbrauch­t. Und selbst in jenen Fällen, wo das Bild zutrifft, sollte man besser über Gesundheit am Arbeitspla­tz reden. er Zusatzurla­ub ist eine schöne Illusion. Doch es gilt die unbequeme Formel: Da kein Geld vom Himmel fällt, muss jedes Mehr an bezahlter Freizeit durch ein Mehr an Produktivi­tät erarbeitet werden. Also durch Leistungsv­erdichtung in der ohnehin schon stressigen Arbeitswel­t.

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