Mehr Einkommen, weniger Geld
Es ist doch paradox: Die Löhne in Österreich steigen, jedes Jahr stehen etwas höhere Brutto- wie Nettosummen auf dem Lohnzettel. Gleichzeitig hat der durchschnittliche Österreicher pro Kopf immer weniger im berühmten Börserl, wie regelmäßig mit Besorgnis festgestellt wird.
Denn das Einkommen, über das er (nach Steuern und Sozialtransfers) frei verfügen kann, geht zurück. Nur in Krisenländern wie Griechenland und Spanien sinken die Einkommen pro Kopf noch stärker als bei uns. Höhere Löhne, geringere Einkommen – wie geht das zusammen?
Wie so oft ist es nicht ein Faktor allein, der diesen scheinbaren Widerspruch auflösen kann. Da ist zunächst die Abgabenquote, die mittlerweile auf 43,8 Prozent (des Bruttoinlandsprodukts) gestiegen ist; kaum wo in Europa müssen Arbeitnehmer von ihrem Lohn so viel an Staat und Sozialversicherung abliefern.
Hinzu kommt eine Tatsache, die oft übersehen wird. Zwar herrscht in Österreich Rekordbeschäftigung – noch nie gab es so viele Arbeitnehmer und Selbstständige. Da möchte man doch erst recht meinen, dass das Einkommen steigt. Aber: Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit, 2014 waren es bereits über eine Million Österreicher. Laut OECD tun dies neun von zehn Personen freiwillig.
Mehr Menschen arbeiten, aber sie arbeiten pro Kopf weniger Stunden, und dies ergibt ein geringeres Pro-KopfEinkommen. Konkret sind die Arbeitsstunden in Österreich seit 2007 pro Kopf um 5,7 Prozent zurückgegangen und die Einkommen um 3,2 Prozent. Dass die Werte nicht genau gleich sind, liegt unter anderem an der – gestiegenen – Produktivität.
Arbeitsstunden und Einkommen entwickeln sich aber, wie es ja zu erwarten ist, in die gleiche Richtung. Tun sie das einmal nicht, ist das nur kurzfristig der Fall und kann sich zum Beispiel durch eine schwankende Abgabenquote oder als Folge der Wirtschaftskrise ergeben.
In Deutschland geht der Trend übrigens in die entgegengesetzte Richtung: Dort sind die Arbeitsstunden pro Kopf in den Jahren seit 2007 um 5,4 Prozent gestiegen. Und damit auch die Einkommen, und zwar insgesamt um 3,5 Prozentpunkte. Auch in Deutschland ist zu sehen, dass die Einkommen und die geleisteten Arbeitsstunden zusammenhängen (müssen). urück zu Österreich: Natürlich ist der Beschäftigungsrekord positiv. Aber die wahre Messlatte für die Einkommensentwicklung sind immer die geleisteten Arbeitsstunden. Wenn weniger gearbeitet wird, sind übrigens auch die Chancen auf mehr Wachstum geringer.
Aber das ist eine andere Geschichte. Michael Christl ist Ökonom in der Denkfabrik Agenda Austria
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