Und immer wieder die Moral
Ob SOS Mitmensch zu Recht fürchtet, dass jetzt mittellose Menschen der Verelendung preisgegeben werden?
Manchmal wird sie zur Keule – die Moral. Da soll sie nur eines – niederknüppeln, was rechts und links und in der Mitte liegt. Denn wer sich auf die Moral beruft, hat ja immer recht. Wer sich auf die Moral beruft, steht auf der richtigen Seite, alle anderen auf der falschen. Und so hat gestern SOS Mitmensch wieder die Keule geschwungen – gegen den oberösterreichischen Landes- hauptmann, gegen den Kanzler, gegen den Vizekanzler. Gegen alle drei, so der Aufruf, soll schriftlich protestiert werden. Am besten wohl ein Shitstorm. Weil die einen eine Obergrenze bei den Flüchtlingen wollen und der andere in Oberösterreich die Mindestsicherung für Asylwerber von 914 auf 320 Euro kürzen möchte. Letzterer würde nun auch zeigen, „wie rasch das Moralbewusstsein der Politik erodieren kann“. Immerhin sollen, klagt SOS Mitmensch, „mittellose Menschen rücksichtslos der Verelendung preisgegeben werden“. er also die Mindestsicherung für Asylwerber kürzt, ist ein Mensch mit erodierendem Moralbewusstsein? Verkürzt: ein schlechter Mensch. Einer, mit dem über die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme nicht mehr diskutiert werden muss. Denn die Moral entzieht sich ja jedem Argument. Und so glauben auch jene, die auf
Wdie Moral verweisen, sich mit Sachfragen erst gar nicht auseinandersetzen zu müssen. Wie der unbequemen Frage, was langfristig machbar und finanzierbar ist und ob zu viele Flüchtlinge die Solidargemeinschaft sprengen könnten. Oder der noch unbequemeren Frage, ob es denn moralische Sicherheit je gibt. Eine Frage, die sich jene, die die Moral als rechtfertigenden Knüppel verwenden, nie stellen wollen.
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