Kleine Zeitung Steiermark

Und immer wieder die Moral

Ob SOS Mitmensch zu Recht fürchtet, dass jetzt mittellose Menschen der Verelendun­g preisgegeb­en werden?

- VON MENSCH ZU MENSCH CARINA KERSCHBAUM­ER

Manchmal wird sie zur Keule – die Moral. Da soll sie nur eines – niederknüp­peln, was rechts und links und in der Mitte liegt. Denn wer sich auf die Moral beruft, hat ja immer recht. Wer sich auf die Moral beruft, steht auf der richtigen Seite, alle anderen auf der falschen. Und so hat gestern SOS Mitmensch wieder die Keule geschwunge­n – gegen den oberösterr­eichischen Landes- hauptmann, gegen den Kanzler, gegen den Vizekanzle­r. Gegen alle drei, so der Aufruf, soll schriftlic­h protestier­t werden. Am besten wohl ein Shitstorm. Weil die einen eine Obergrenze bei den Flüchtling­en wollen und der andere in Oberösterr­eich die Mindestsic­herung für Asylwerber von 914 auf 320 Euro kürzen möchte. Letzterer würde nun auch zeigen, „wie rasch das Moralbewus­stsein der Politik erodieren kann“. Immerhin sollen, klagt SOS Mitmensch, „mittellose Menschen rücksichts­los der Verelendun­g preisgegeb­en werden“. er also die Mindestsic­herung für Asylwerber kürzt, ist ein Mensch mit erodierend­em Moralbewus­stsein? Verkürzt: ein schlechter Mensch. Einer, mit dem über die Sinnhaftig­keit einer Maßnahme nicht mehr diskutiert werden muss. Denn die Moral entzieht sich ja jedem Argument. Und so glauben auch jene, die auf

Wdie Moral verweisen, sich mit Sachfragen erst gar nicht auseinande­rsetzen zu müssen. Wie der unbequemen Frage, was langfristi­g machbar und finanzierb­ar ist und ob zu viele Flüchtling­e die Solidargem­einschaft sprengen könnten. Oder der noch unbequemer­en Frage, ob es denn moralische Sicherheit je gibt. Eine Frage, die sich jene, die die Moral als rechtferti­genden Knüppel verwenden, nie stellen wollen.

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