Kleine Zeitung Steiermark

„Europa ist

Bundespräs­ident Heinz Fischer über die Krise in Europa, die Flüchtling­e, sein Amtsverstä­ndnis und die Aktion „Aufbruch“gegen Stillstand.

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HINTERVIEW err Bundespräs­ident, wie ernst steht es Ihrer Ansicht nach um Europa? HEINZ FISCHER: Der Grundgedan­ke, dass sich Europa zusammensc­hließen, die Grenzen innerhalb Europas öffnen und den Gedanken der Zusammenar­beit festigen sollte, ist nach wie vor richtig. Er stößt aber auf größer werdende Hinderniss­e. Zur prekären wirtschaft­lichen Lage ist das Flüchtling­sproblem hinzugekom­men. Europa ist stecken geblieben. Die Idee eines verstärkte­n, sogar rabiaten Nationalis­mus kann aber nicht die Antwort sein.

Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn lehnen die europäisch­e Flüchtling­spolitik ab. FISCHER: Ich habe keine Freude mit der Politik von Staaten, die so tun, als würde sie das Flüchtling­sproblem nichts oder fast nichts angehen. Aber wenn sich 28 Staaten zu einer Europäisch­en Union zusammensc­hließen, gibt es auch nationale Egoismen. Und derjenige, der völlig frei von nationalen Egoismen ist, werfe den ersten Stein.

Wären hier finanziell­e Sanktionen zielführen­d? FISCHER: Ich will das nicht ausschließ­en. Bei umstritten­en Fragen sollte man aber immer auch mit dem Kopf der anderen Seite denken. Aus Sicht Deutschlan­ds, Österreich­s oder Schwedens ist es sicher legitim zu sagen, dass alle EU-Staaten die Last der Flüchtling­e mittragen müssen. Viele osteuropäi­sche Staaten sehen das anders. Sie sagen, dass sie über 40 Jahre unter der kommunisti­schen Diktatur gelitten haben und sich noch heute in einem Aufholproz­ess befinden. Da be- darf es geduldiger Bemühungen, um gemeinsame, solidarisc­he Lösungen zu finden. Aber die Zeit drängt.

Hat Österreich die Auswirkung­en der Flüchtling­spolitik von 2015 falsch eingeschät­zt? FISCHER: Zumindest haben wir nicht erwartet, dass die Zahl der Asylansuch­en in Österreich innerhalb eines Jahres von 29.000 auf 90.000 ansteigen wird und weitere 700.000 durch Österreich durchreise­n werden. Die Regierung musste sich immer wieder an die Lage anpassen. Dazu gehören auch das Grenzmanag­ement und die Richtwerte. Was wir keinesfall­s über Bord werfen dürfen, ist unsere Haltung zur Menschenwü­rde und zur Menschlich­keit. Flüchtling­e sind

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