Das Aussitzen funktioniert nicht mehr
Die Bundespräsidentenwahl 2016 wird ein Hochamt der Demokratie, heißt es. Mag sein. Die Kandidatur der einen oder anderen Person lässt allerdings Zweifel daran aufkommen. Aber es ist zu befürchten, dass es bis Mai zu einer weiteren Ablenkung von den Kernproblemen des Landes kommt, und das ist gar nicht gut! Die Summe der Herausforderungen könnte man eigentlich schon als explosives Gemisch bezeichnen: Eine zweite Flüchtlingswelle droht, die uns ab dem Frühjahr mit ähnlicher Wucht erreichen könnte, ein Arbeitsmarkt, der nach wie vor immer schlechtere Daten liefert, ein Wirtschaftswachstum, das für unsere Ansprüche und Verpflichtungen viel zu klein ist, und eine enorme technologische Herausforderung – „Industrie 4.0“, die den endgültigen Übergang ins digitale Zeitalter einläutet, mit allen damit verbundenen Schmerzen.
Die Wirtschaft fühlt sich zunehmend alleingelassen in einem harten globalen Wettbewerb, ja mehr noch, sie fühlt sich ausgenutzt. Die Versprechen von flexibleren Arbeitszeiten und Bürokratieabbau wurden nie eingelöst. Die Steuerreform hat zu keinen Entlastungen geführt, sondern unter dem Titel „Steuerbetrug“zu einer Welle von als Schikane empfundenen Betriebsprüfungen. Auch Lohnnebenkostensenkungen wurden versprochen, aber bei genauem Hinsehen wurden sie durch neue Belastungen einmal mehr aufgewogen! Und eine kurzsichtige Arbeitnehmervertretung trägt all das mit. Heute sieht sie die Blockade als das beste Rezept, den scheinbar sicheren Status quo zu halten! ie Bevölkerung spürt, dass viele Dinge nicht mehr zusammenpassen. Die Menschen erkennen eine Realität, aber keiner spricht diese Realität an. Das führt zu Unbehagen, ja offener Angst. Die Leute sehen, dass sich ihr gewohntes Umfeld unwiederbringlich wandelt, sie werden unsicher und sie fragen sich täglich: Was macht eigentlich die Politik – also die Staatsführung? Aber die Politik vermag schon seit längerer Zeit keine Antwort mehr darauf zu geben. Das Aussitzen und Reparieren funktioniert nicht mehr, die alten Rezepte versagen! Es zeigt sich eine eklatante Führungsschwäche und unterm Strich bleibt einerseits der Versuch, auch noch das erbärmlichste Ergebnis schönzureden, und andererseits Zank und Hader in einer Koalition, die immer mehr um die nackte Existenz fürchtet.
Noch ist es Zeit, den Tatsachen offen ins Auge zu sehen und zu handeln, aber wenn in dieser komplexen Gemengelage nicht bald jemand die Führung übernimmt und mit einem klaren Plan und eindeutigen Maßnahmen, abseits parteipolitischer Deals, agiert, halten das die Nerven der Menschen nicht mehr durch. Wir sind spät dran in Österreich – es ist zu befürchten, dass es bald zu spät sein wird. Jochen Pildner-Steinburg ist Präsident der steirischen Industriellenvereinigung
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