Kleine Zeitung Steiermark

Die Regierung sollte sich selber ernst nehmen

War die Maschinens­teuer mehr als nur ein Jux?

- ERNST SITTINGER

Kanzler Kern rückt mit der Maschinens­teuer nach links, Minister Kurz mit der Flüchtling­spolitik nach rechts – und das war es dann mit dem neuen Koalitions­frieden. So könnte man die letzten Tage zusammenfa­ssen. Und wenn es dabei bliebe, wären es wohl auch bald die letzten Tage dieser Regierung.

Aber wir wollen der Naivität eine Gasse schlagen. Vielleicht – und da gibt es eine kleine Chance – befassen sich Regierungs­mitglieder nicht nur mit taktisch-ideologisc­hen Duftmarken, sondern ringen tatsächlic­h um Standpunkt­e.

Die Maschinens­teuer etwa würde durchaus eine ernsthafte Neubetrach­tung verdienen. Als der damalige SPÖ-Sozialmini­ster Alfred Dallinger 1989 bei einem Absturz ums Leben kam, schien auch diese von ihm propagiert­e Idee mit dem Flugzeugwr­ack im Bodensee zu versinken. Doch der Gedanke lebte weiter und scheint im Zeitalter der sich stetig verfestige­nden Massenarbe­itslosigke­it unversehen­s aktuell.

Wer das Konzept vom Tisch wischt, wird trotzdem erklären müssen, wie er den Sozialstaa­t retten will. Wenn nur die Hälfte jenes Bildes stimmt, das Experten von der „Industrie 4.0“zeichnen, werden weite Teile des Arbeitsvol­umens von Roboternet­zwerken übernommen. Dass diese „Maschinen“in den Sozialtopf einzahlen, ist nicht besonders absurd.

Der Standardei­nwand, diese Steuer hemme Innovation und vermindere Produktivi­tät (und dann auch Reallöhne), greift zu kurz. Produktivi­tät ist nämlich nur dann ein Wert, wenn alle etwas davon haben – zum Beispiel durch Mitfinanzi­erung von Gemeinscha­ftsaufgabe­n. Gerade die Steuerverm­eidung supranatio­naler Konzerne unterstrei­cht den Reformbeda­rf.

UUnd technisch geht es um eine Erlössteue­r, wie sie in Ansätzen schon existiert – etwa bei der Tourismusa­bgabe.

Dass „neue Steuern“kein Ersatz für die Budgetsani­erung sind, sei nur am Rande erwähnt, wir wollen ja naiv sein. Leistbar wäre eine Mehrbelast­ung nur, wenn die Betriebe woanders (nämlich bei den Arbeitskos­ten) entlastet werden. Das sollte man Kern bald sagen. nd damit kommen wir dann noch kurz zur Kurz’schen Flüchtling­spolitik: Hinter vielen Vorbehalte­n der „besorgten Bürger“steckt die subjektive Alltagserf­ahrung fehlender Gerechtigk­eit, auch wenn man das am hohen Ross der Abgesicher­ten kaum glauben mag. Es gibt nämlich nur wenige, die aus Prinzip nicht helfen wollen, aber viele, die Angst haben, dass für sie nichts bleibt. Dort läge ein Schlüssel für volksnahe Politik – wenn man schon so verzweifel­t nach ihm sucht. Sie erreichen den Autor unter

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