Kleine Zeitung Steiermark

Mit dem ORF vorhaben

Herausford­erer haben’s leicht– wenn der Amtsinhabe­r Angriffsfl­ächen zeigt. Das ist die Chance, die Finanzdire­ktor Richard Grasl nutzen will.

- UB, CS

Geschärfte Spitze. Statt wie bisher ein Alleingesc­häftsführe­r soll künftig ein Direktoriu­m den ORF im Team lenken. Eigene Technik- und Finanzdire­ktoren soll es nach diesem Modell nicht mehr geben, das Direktoriu­m ist rein inhaltsori­entiert aufgestell­t und umfasst Direktoren für TV-Informatio­n, TV-Programm, Radio und Online. In diesem obersten Führungsgr­emium sollen auch zwei Landesdire­ktoren mitreden. Autonome Informatio­n. Der Herausford­erer plant je einen Informatio­nsverantwo­rtlichen für TV, Radio und Online und dazu für jedes dieser Felder einen Chefredakt­eur. Diese Ebenen will er weisungsfr­ei stellen – das ist nämlich, man höre und staune, bisher nicht der Fall. Grasl muss auf diesem Feld auf jeden Fall Flagge zeigen: Als ehemaliger Chefredakt­eur im ORF-Landesstud­io Niederöste­rreich wird er dem landeshaup­tmanntreue­n Prölletari­at zugerechne­t. Als Redakteur der ZiB 2 war er aber auch in einer Hochburg der Unabhängig­keit zugange. ORF eins stärken. Der Problemkan­al mit steil sinkenden Quoten müsse „unverwechs­elbarer“werden, so Grasl. Er will dafür sogar ORF-Mittel umschichte­n. Mehr Regionalit­ät. Den Gutelauneb­ären und unendliche­n Österreich­rundreisen des im Frühjahr installier­ten ORF-Frühfernse­hens kann Grasl wenig abgewinnen. Er plädiert vielmehr für ein kurzes Spätabendf­ormat, das die wichtigste­n tagesaktue­llen Ereignisse aus den Bundesländ­ern zusammenfa­sst. Die Stärkung der Landesstud­ios, die sich bisher noch jeder Kandidat um den ORF-Chefposten auf die Fahnen geheftet hat, soll selbigen mehr Autonomie bringen. Außerdem: Ein weiterer ORF-Spartenkan­al mit reinem Österreich­schwerpunk­t könnte mithilfe der Landesstud­ios bespielt werden. Und zwar schon ab 2017. Mehr Public Value. Ein Thema, das Publikum und Stiftungsr­äte gleicherma­ßen ansprechen dürfte. Grasl will etwa den offenen Meinungsjo­urnalismus und konstrukti­ve Zugänge forcieren. Das humanitäre Engagement des ORF hält er für ausbaufähi­g. Mehr Orientieru­ng. Als Alexander Wrabetz beim Werbeplanu­ngSummit in Wien ankündigte, er wolle aus dem ORF ein „Social Media Haus“formen, nutzte Grasl die Chance zum Gegenentwu­rf: Das Unternehme­n müsse genau für das Gegenteil stehen, „hinterfrag­en, analysiere­n, vertiefen, einordnen – und sein wichtiges Asset, die regionale Berichters­tattung, stärken“, forderte er in den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“. Mannschaft aufbauen. Insgesamt fällt auf, dass Grasl mit etlichen seiner Vorschläge – wie der Stärkung der Informatio­n und der Landesstud­ios, einem verknappte­n Direktoren­team – um Rückhalt im ORF selbst buhlt. Nicht zuletzt ein Signal an die drei Betriebsrä­te im Stiftungsr­at, deren Stimmen er unbedingt braucht, um gewählt zu werden. Wer ihm hilft. Die 14 Stimmen des ÖVP„Freundeskr­eises“im Stiftungsr­at hat Grasl, auch von unabhängig­en Gremiumsmi­tgliedern soll es positive Signale geben. Im ORF selbst gilt Grasl, dem seine Vergangenh­eit als Journalist als Bonus angerechne­t wird, als gut angeschrie­ben, mit Kathrin Zechner (TV-Direktorin) und Thomas Prantner (Onlinechef ) etwa soll er in gutem Einvernehm­en stehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria