Es reichen ein paar Streichhölzer
Drei Monate lang hat Hans-Joachim Löwer den Nahen Osten bereist, um anhand persönlicher Schicksale die Not und Verzweiflung der bedrängten Christen nachzuzeichnen.
Eine Bischofsresidenz, eine Marienfigur, ein Minarett aus Stahl und acht Panzer: Das ist die Kulisse, vor der die Maroniten im libanesischen Lassa ihr Christentum leben. Die Gegend war eine der wenigen, wo selbst während der Zeit des Bürgerkriegs von 1975 bis 1990 keine Kämpfe zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionen ausbrachen. Doch kurz danach entbrannte ein erbitterter Streit um eine kleine Kapelle, die auf maronitischem Gebiet stand und von den Christen kaum noch genutzt wurde. Schiiten wollten sie daraufhin in eine Moschee für Frauen verwandeln. Es entwickelte sich ein Konflikt, der begrenzt begann und sich doch rasch zu einem langjährigen Scharmützel auswuchs. Eines von vielen ganz konkreten Beispielen, an denen der deutsche Journalist Hans-Joachim Löwer die maßlos schwierige Lebenssituation der Christen illustriert. Drei Monate reiste er durch den Nahen Osten. Er besuchte das letzte Armenierdorf in der Türkei und erzählt, wie im Pulverfass Ägypten ein paar Streichhölzer reichen, um die Spannungen gewaltsam zu entladen. Er berichtet, wie im Irak eine christliche Familie ein halbes Jahr unter der Herrschaft des IS überstand und wie in Syrien Kirchen zertrümmert werden und die Christen angesichts der Kriegshölle an ihrem Schicksal verzweifeln.
Löwer schreibt anschaulich, ist knapp dran an den Menschen und zeichnet so ein Kaleidoskop des Nahen Ostens, das trotz aller Schwierigkeiten und Grausamkeiten auch die kulturelle und ethnische Vielfalt der Region vermittelt. Er zeigt die Komplexität der Konfliktlinien und widersteht zugleich der Versuchung einfacher Schuldzuweisungen.
Leichter Stoff sind die Schicksale, die er beschreibt, keiner. Doch Löwer beschränkt sich nicht aufs Aufzeichnen der Katastrophen; er lässt den Leser auch teilhaben an versöhnlichen Projekten, auf die er bei seiner Reise stieß: im ägyptischen Alexandria zum Beispiel, wo im christlichen St.-Markus-Hospital Politik und Religion ausgeblendet werden und wo es schon einmal vorkommt, dass ein verwundeter Islamist einem Chirurgen frohe Weihnachten wünscht. Spannende, lesenswerte Lektüre.