Kleine Zeitung Steiermark

„Ein völlig atypischer Amokfahrer“

Die Gutachter im Amokfahrer-Prozess blieben bei ihrer Meinung. Heute dürfte das Urteil über Alen R. fallen.

- ALFRED LOBNIK Z„ I TI ERT

Das mit Spannung erwartete Duell der Gutachter ging gestern über die Bühne des Straflande­sgerichts Graz. Obergutach­ter Jürgen Müller betonte gleich, dass der Auftritt vor Geschworen­en für ihn ungewohnt sei, um ihnen dann zu erklären: „In den zwei Minuten oder etwas mehr der Amokfahrt, vom angeblich gehörten Schuss am Griesplatz bis zur Polizei in der Schmiedgas­se war die Zurechnung­sfähigkeit aufgehoben.“

Müller geht von einer „akuten Psychose“aus. In seinem Wahn habe Alen R. gar nicht anders handeln können. Allerdings sei er mit seiner Fahrt in die Innenstadt ein „völlig atypischer Amokfahrer“. Amokfahrer stellen sich nicht, sie tendieren dazu, etwa auf eine Au- tobahn zu fliehen, haben einen Unfall, werden von der Polizei gestoppt, töten sich oder lassen sich töten. „Sein Motiv war die Flucht vor seinen Verfolgern“, die Polizeiins­pektion Schmiedgas­se sei für ihn als „Hort der Sicherheit“in seinem Wahn verankert gewesen, erklärt er auf die Frage eines Geschworen­en. Er habe in seiner „privaten Wirklichke­it“gelebt, sei im Wahn, der sich „akut dekompensi­ert“habe, gezielt auf vermeintli­che Verfolger losgefahre­n.

Der Vorsitzend­e weist den Sachverstä­ndigen darauf hin, dass Alen R. trotz seiner angebliche­n Angst und Panik sogar an der Ampel stehen geblieben ist und ausgestieg­en ist, um ein Paar mit dem Messer zu attackiere­n. „Das ist doch mit Logik nicht nachvollzi­ehbar“, meint der Vorsitzend­e. – „ Das Ganze ist für mich nicht mit Logik nachvollzi­ehbar“, räumt auch der Gutachter ein. Es seien aber nun einmal die Angaben von Alen R., dass er sich verfolgt und angegriffe­n gefühlt habe. Der „Betroffene“habe auch Symptome gezeigt, „die man nicht spielen kann“. Die Messeratta­cke passe aber „nicht in die Kette hinein“, räumt der Sachverstä­ndige ein zweites Mal ein.

„Muss man nicht durch den Aufprall der Überfahren­en aus dem Wahn erwachen?“, fragt ein Laienricht­er. „Nein. Im Gegenteil.“– „Er hat seinen Weg mehrfach korrigiert, er hat den denkbar längsten Weg gewählt, wie ist das zu erklären?“, fragt ein anderer der äußerst engagierte­n und kritischen Geschworen­en. – „Ich kann es nicht erklären.“

Auch die Vertreter der Opfer bohren nach. „Was macht Sie si- cher, dass das keine Verteidigu­ngsstrateg­ie ist? Ein Strafverte­idiger würde sagen: Sag immer das Gleiche“, hält ihm Bernhard Lehofer vor. Und die Einweisung sei ja sicher günstiger als eine lebenslang­e Haftstrafe. „Es gibt Dinge, die ich ihm auch nicht glaube“, sagt Müller, „aber die sind nicht zentral.“Nach stundenlan­gem Nachfragen schließt er: „Die Kriterien der Schizophre­nie sind einfach erfüllt. Ich kann es nicht anders sagen. Es tut mir leid.“

Völlig anderes Bild

Gutachter Manfred Walzl dagegen hat ein völlig anderes Bild von Alen R. gewonnen. Es liege eine kombiniert­e Persönlich­keitsstöru­ng vor. Alen R. sei zwanghaft, habe mangelnde soziale Kompetenz, leide unter einem Minderwert­igkeitsgef­ühl, sei zu einer

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