„Ein völlig atypischer Amokfahrer“
Die Gutachter im Amokfahrer-Prozess blieben bei ihrer Meinung. Heute dürfte das Urteil über Alen R. fallen.
Das mit Spannung erwartete Duell der Gutachter ging gestern über die Bühne des Straflandesgerichts Graz. Obergutachter Jürgen Müller betonte gleich, dass der Auftritt vor Geschworenen für ihn ungewohnt sei, um ihnen dann zu erklären: „In den zwei Minuten oder etwas mehr der Amokfahrt, vom angeblich gehörten Schuss am Griesplatz bis zur Polizei in der Schmiedgasse war die Zurechnungsfähigkeit aufgehoben.“
Müller geht von einer „akuten Psychose“aus. In seinem Wahn habe Alen R. gar nicht anders handeln können. Allerdings sei er mit seiner Fahrt in die Innenstadt ein „völlig atypischer Amokfahrer“. Amokfahrer stellen sich nicht, sie tendieren dazu, etwa auf eine Au- tobahn zu fliehen, haben einen Unfall, werden von der Polizei gestoppt, töten sich oder lassen sich töten. „Sein Motiv war die Flucht vor seinen Verfolgern“, die Polizeiinspektion Schmiedgasse sei für ihn als „Hort der Sicherheit“in seinem Wahn verankert gewesen, erklärt er auf die Frage eines Geschworenen. Er habe in seiner „privaten Wirklichkeit“gelebt, sei im Wahn, der sich „akut dekompensiert“habe, gezielt auf vermeintliche Verfolger losgefahren.
Der Vorsitzende weist den Sachverständigen darauf hin, dass Alen R. trotz seiner angeblichen Angst und Panik sogar an der Ampel stehen geblieben ist und ausgestiegen ist, um ein Paar mit dem Messer zu attackieren. „Das ist doch mit Logik nicht nachvollziehbar“, meint der Vorsitzende. – „ Das Ganze ist für mich nicht mit Logik nachvollziehbar“, räumt auch der Gutachter ein. Es seien aber nun einmal die Angaben von Alen R., dass er sich verfolgt und angegriffen gefühlt habe. Der „Betroffene“habe auch Symptome gezeigt, „die man nicht spielen kann“. Die Messerattacke passe aber „nicht in die Kette hinein“, räumt der Sachverständige ein zweites Mal ein.
„Muss man nicht durch den Aufprall der Überfahrenen aus dem Wahn erwachen?“, fragt ein Laienrichter. „Nein. Im Gegenteil.“– „Er hat seinen Weg mehrfach korrigiert, er hat den denkbar längsten Weg gewählt, wie ist das zu erklären?“, fragt ein anderer der äußerst engagierten und kritischen Geschworenen. – „Ich kann es nicht erklären.“
Auch die Vertreter der Opfer bohren nach. „Was macht Sie si- cher, dass das keine Verteidigungsstrategie ist? Ein Strafverteidiger würde sagen: Sag immer das Gleiche“, hält ihm Bernhard Lehofer vor. Und die Einweisung sei ja sicher günstiger als eine lebenslange Haftstrafe. „Es gibt Dinge, die ich ihm auch nicht glaube“, sagt Müller, „aber die sind nicht zentral.“Nach stundenlangem Nachfragen schließt er: „Die Kriterien der Schizophrenie sind einfach erfüllt. Ich kann es nicht anders sagen. Es tut mir leid.“
Völlig anderes Bild
Gutachter Manfred Walzl dagegen hat ein völlig anderes Bild von Alen R. gewonnen. Es liege eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vor. Alen R. sei zwanghaft, habe mangelnde soziale Kompetenz, leide unter einem Minderwertigkeitsgefühl, sei zu einer