Die verkaufte Motivkirche
Richard Kriesche überblendet die Werbebotschaften auf dem Gerüst der Wiener Votivkirche mit Bibelsätzen – Überlieferung gegen Kommerz.
Schon das erste Riesenposter, das die renovierungsbedürftige Votivkirche vor einigen Jahren verhüllte, ärgerte Richard Kriesche. Er empfand es als Ausverkauf, eine Kirchenfassade gegen Geld zur Werbefläche zu degradieren, und schrieb das dem Wiener Erzbischof. Weil die Antwort seinen Einwand nicht entkräften konnte, blieb er dran.
Monat für Monat fotografierte der Medienkünstler das neue Sujet, im Close-up und von ferne. Als 34 Motive beisammen waren, begann die Suche nach Texten, eigenen wie gefundenen. Am Ende entschied er sich für Bibelzitate, die subtil oder ganz direkt konterkarieren, was die Werbebotschaft verkündet.
Auf weißem Papier druckte Kriesche die Texte auf das Deckblatt einer Schutzhülle. Innen fixierte er das dazugehörige Fotomotiv. Wirbt A1 mit der Verhei- ßung eines Mobilfunktechnikers: „Ich sorge für beste mobile Verbindungen“, verspricht der Psalmist auf dem Deckblatt: „Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe, allen die zu ihm aufrichtig rufen.“Ski-Ass Anna Veith rekelt sich für Rauch-Säfte, das Cover zitiert Paulus: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“
Dass ihm Hochschulseelsorger Alois Kölbl das Studentenheim der KHG in der Grazer Leechgasse 24 anbot, erwies sich als Glücksfall. Hier, sagt Kriesche, komme die Aussage besser zum Vorschein als in einer Galerie (Laufzeit: bis 15. November). Wer die Eingangshalle betritt, sieht nur Bibelsprüche an der Wand. Wer näher tritt und den Deckel hebt, erkennt die Reibung, um die es Kriesche geht. Um die Kommerzialisierung ironisch auf die Spitze zu treiben, bietet er jede Mappe um 2600 Euro an – die Hälfte des Betrags will Kriesche für die Renovierung der verschandelten „Motivkirche“geben. GRAZ. Es waren sogar die Programme ausgegangen. Mit einem solchen Ansturm für den PianistenGroßmeister Rudolf Buchbinder war auch im allerbesten Fall nicht zu rechnen gewesen.
Der Wiener, dem man seine bald 70 Jahre nicht ansieht (und schon gar nicht anhört), begann mit Johann Sebastian Bachs „Englischer Suite“in a-Moll. Erst bei den Kantilenen der „Sarabande“hob Buchbinder ein wenig den Kopf, als wollte er selber mithören, was alles ihm da seine flinken Finger anboten.
Der Klang des SteinwayFlügels, der „Hausmarke“des Pianisten, kam den nüchterndurchdachten, ziemlich auf Geschwindigkeit ausgerichteten Interpretationen entgegen. Eine Bach-Exegese, die die CembaloImitation trotzdem recht weit hinter sich lässt.
Ohne viel Federlesens ging’s weiter mit Ludwig van Beethovens gewaltig dimensionierter „Waldsteinsonate“, mit feierlich wirkendem „Adagio“in ein Finale mündend, dessen mit Piano-Nuancen gewürztes Gesamtbild in seiner Einheitlichkeit ebenso ergriff wie Robert Schumanns „Symphonische Etüden“op. 13. Nach dem etwas ins „Presto“greifenden „Allegro“aus Beethovens op. 53 bildete eine souverän-schlicht klingende Bach-Gigue den Abschluss des kurzweiligen Klavierabends.
Summa summarum erwies sich der multiple Ehrenmedaillenträger als souveräner, allfällige Einwände weit hinter sich lassender Interpret. Dem Meister aller Tasten kam der herzliche Zuspruch mit Standing Ovations zu Recht zugute. Pianist Rudolf Buchbinder