Alibidebatte zur Fremdenfeindlichkeit
NIach unserem christlichen Selbstverständnis müssten uns zwei Dinge heilig sein. Einerseits die verfassungsmäßige Trennung von Staat und Kirche beziehungsweise – und um es auf den Punkt zu bringen – von Staat und Religion sowie andererseits die Privatsache Kleidung. Jedermann und jedefrau mit Anstand weiß, wie er oder sie sich zu kleiden hat, das heißt, wann sie in kurzen Hosen und wann sie mit einer Krawatte um den Hals herumlaufen.
Umso befremdlicher ist die Burka-Burkini-Debatte, die derzeit nicht nur in Österreich, sondern auch im sogenannten befreundeten Ausland mit Inbrunst geführt wird. Ein Thema, das sich wie eine Alibidebatte zur Fremdenfeindlichkeit anhört, und zwar nach dem Motto: Wir haben nichts gegen Ausländer, aber sie sollen sich, um Gottes willen, anständig anziehen. Ein bisschen erinnert mich das Ganze an die Aufregung um die langen Haare, sprich Beatles-Frisuren, in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Ich erinnere mich nicht dumpf daran, sondern ich erinnere mich an die dumpfen Wortduelle. Man vergesse darüber nicht, dass wir im einundzwanzigsten Jahrhundert und dritten Jahrtausend leben, das wegen der umfangreichen Völkerwanderungen der letzten Jahre manche gesellschaftliche Irritation bewirkt hat. Wir steuern auf einen Kulturkampf zu.
Man glaube mir, dass ein Burkaverbot keine einzige Muslimin integrieren wird. Außerdem geht es um ein Scheinproblem. Man zähle die Frauen, die einem an einem Tag in der Burka begegnen. Die Finger einer Hand sind zum Rechnen zu viele. Hier geht es um (Partei-)Politik und Wahlkampf. Um Vereinfachung und Alibidebatte.
Es geht um Angst. Aber nicht um tatsächliche, sondern um solche, die gemacht wird. Die Burka ist das Symbol für all das, was mit dem Islam abgelehnt wird. Oft aus Unkenntnis.
Früher hat man darüber diskutiert, wie viel nackte Haut Frauen zeigen dürfen, heute wird darüber gestritten, wie viel sie verhüllen müssen. Diese Diskussion wird zeigen, wie menschenfreundlich und tolerant wir tatsächlich sind. Das Verbieten religiöser Symbole, die Zwangsbefreiung gleichermaßen, wird niemanden weiterbringen. Befreiung muss mit Überzeugung erfolgen. Und auf dem Weg zur Überzeugung – und Entschleierung – können wir unser Scherflein beitragen. Mit unserem Vorbild. Mit dem Abbau von Berührungsängsten. Mit Sprachkursen. Mit dem Beispiel unserer Lebensweise, die so attraktiv sein sollte, dass sie Flüchtlinge freiwillig nachahmen wollen. m Übrigen bin ich überzeugt, dass jene Menschen, die jetzt die Burka sofort verbieten wollen, die ersten wären, die demonstrierend auf die Straße laufen würden, wenn ein Döner-Verbot blühen könnte. Janko Ferk ist Schriftsteller, Jurist und lehrt an der Universität Klagenfurt