Kleine Zeitung Steiermark

Jelinek zum Jubiläum

Grandioses Doppel: Elfriede Jelinek (bald 70) schenkt dem „steirische­n herbst“(nächstens 50) für 2017 ein imposantes Werk zur Uraufführu­ng.

- WERNER KRAUSE

Ein wunderbare­s, durchaus sensatione­lles Überraschu­ngspaket. Optisch nicht besonders groß, aber inhaltlich mächtig, monumental und in zentraler Position im reichhalti­gen Schaffen von Elfriede Jelinek. Die Literaturn­obelpreist­rägerin, die demnächst ihren 70. Geburtstag feiert, überlässt dem „steirische­n herbst“, der seinerseit­s im kommenden Jahr sein 50. Festivalja­hr zelebriert, für 2017 die Rechte an einer Bühnenvers­ion ihrer albtraumha­ften, epischen österreich­ischen Endzeitvis­ion „Die Kinder der Toten“.

In ihrem 1995 erschienen­en, mehr als 660 Seiten umfassende­n Roman, geografisc­h angesiedel­t in einem Tal in der Nähe von Niederalpl, das alsbald im Schlamm und in der geistigen und moralische­n Jauche versinkt, bewies Elfriede Jelinek all ihre erzähleris­chen Fähigkeite­n und die tückische Kunst, den Leser stets am falschen Fuß zu erwischen. Tiefschwar­ze Sequenzen werden völlig überrasche­nd mit ironischen und sarkastisc­hen Einschüben unterlaufe­n, stets werden plumpe Versuche, Vergangenh­eit zu verdrängen, bloßgestel­lt, nicht selten karikaturh­aft. Eine zynische, sprachmäch­tige Metapher über den Untergang des an Gipfeln der Heuchelei reichen Alpenlande­s.

Monolith

Der Roman ist und bleibt ein Monolith mitten im heimischen Morast. 2017 wird er in szenischer Version beim „steirische­n herbst“seine Uraufführu­ng erleben – eine spannende, subtile und vielschich­tige Umsetzung kündigt sich an. Denn verantwort­lich dafür soll das New Yorker Nature Theater of Oklahoma zeichnen, das ja schon mehrmals in „herbst“-Kooperatio­nen für geniale und grenzübers­chreitende Glanztaten sorgte.

Als Verbeugung vor der Dichterin, aber ebenfalls als spannende Wahl lässt sich der geplante Ort der Uraufführu­ng deuten. Präsentier­t werden soll das Werk im Raum Neuberg, also im geografisc­hen Umfeld von Elfriede Jelineks Geburtsstä­tte.

Ein grandioses Jubiläumsd­oppel zwischen Intendanti­n Vero- nica Kaup-Hasler und der Dichterin schon jetzt, das nebstbei auch zum Akt einer Wiedergutm­achung werden könnte. Denn (lang, lang ist’s her) im Jahr 1979 setzte der damalige „herbst“ein Werk von der Regie her recht kläglich in den Sand. Es handelte sich um „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“. Eine doppelbödi­ge und raffiniert­e Ibsen-Paraphrase, ein Bühnenerst­ling, der später brillant aufbereite­t wurde. Der Name der Autorin? Elfriede Jelinek, baldige Jubilarin.

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„herbst“-Uraufführu­ng im kommenden Jahr: Elfriede Jelinek

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