Wohldosierte Verortung im Nirgendwo
Tamara Semzov arbeitet sich an der „Heimat“ab.
GRAZ. Ist man erst assimiliert, greifen die eigenen Wurzeln ins Bodenlose. In ihrer Soloperformance „Malenkaya Strana“arbeitet sich die in der Ukraine geborene und ab dem achten Lebensjahr in Deutschland aufgewachsene Tamara Semzov an ihrer eigenen Biografie ab. Von traurigen und komischen Augenblicken ist da die Rede, von wenigen Freunden und der Familie, vor allem der Familie.
Kurz ist da der Weg vom Puzzlespiel der Erinnerungen zum gegenwärtigen Bewusstsein. Russische Lieder und Wodka dienen dem Besinnen, werden in Semzovs Diplomarbeit aber nie zum Stichwortgeber platter Nostalgie. Zwischendurch dreht die talentierte Schauspielhaus-Akteurin den Spieß kurzweg um, setzt auf sanfte Konfrontation und drängt das Publikum in die Defensive.
Ihre stärksten Momente hat die Performance, wenn die ganze Fragilität der gängigen Begrifflichkeiten mit Wucht zutage tritt. Wenn sich in der „Identität“jene Brüche auftun, die keine „Heimat“zulassen. Wenn Semzov in riesigen Taschen versinkt und sich in einfach strukturierten Szenen die ganze Komplexität der individuellen „Verortung“zeigt. Mit einem guten Gespür für Humor, aber leider etwas brav; mit großer Leidenschaft, aber ohne Hang zur Fatalität begeistert Semzov das Publikum. Malenkaya Strana (Kleines Land). 5., 17., 28. Oktober, 19., 26. November, 20.30 Uhr, Haus Drei, Schauspielhaus Graz. Karten: Tel. ( 0316) 8000. www.schauspielhaus-graz.com