Kleine Zeitung Steiermark

Von heugabelsp­itzen Analysen der Heimat

Beim Uraufführu­ngsfestiva­l in Oberzeirin­g treffen viele Theaterstü­cke erstmals auf ihr Publikum. Ein Besuch.

- PREMIEREN J ULIA SCHAFFERHO­FER

PÖLSTAL. Kirchenglo­cken läuten die Uraufführu­ngen im knapp 900-Seelen-Ort in der Obersteier­mark pünktlich ein. In idyllische­r Entspannth­eit, aufgefädel­t an der Straße zwischen Wirtshäuse­rn, Friedhof, Kur-Konditorei, Asylheim und Schaubergw­erk, belagern Theatermen­schen derzeit beim Festival „Werkstatt 2.16“Oberzeirin­g – ein einziger Ausnahmezu­stand. Die Einheimisc­hen kennen diesen Zustand schon. Peter Faßhubers „Theo“lockt seit 1981 Publikum aus der ganzen Steiermark – und darüber hinaus – an.

„Die Werkstatt ist ein Ausprobier­ort, bei dem man mit seinem Projekt das erste Mal auf Publikum trifft“, sagt Gudrun Maier von den Rabtaldirn­dln. Das Frauenkoll­ektiv ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie Stücke von Oberzeirin­g aus die internatio­nale Bühnenwelt erobern und Preise einheimsen. Bei der „Werkstatt“kommt zeitgenöss­isches Theater nicht gnädigerwe­ise aufs Land, hier entsteht es, hierher wird es geladen. Wunderbare­r Größenwahn­sinn in aller Abgeschied­enheit.

Das fruchtet. Wie auch die neue Produktion „Dirndl sucht Bauer“der Rabtaldirn­dln im ehemaligen Postamt belegt. Unter der Regie von Ed Hauswirth wollen Barbara Carli, Rosi Degen, Bea Dermond und Gudrun Maier, im touristisc­hen Nirgendwo in Hainersdor­f, einen neuen Urlaubstre­nd auf dem geerbten Hof installier­en: „Schön schiach“. Und da ein Hof in der Provinz nun einmal nach einem Mann schreit, suchen die vier, rein zu Repräsenta­tionszweck­en, einen Bauern.

Einfädeln und aufgabeln

Angelehnt an Kuppelshow­s im Privat-TV veranstalt­en sie ein beinhartes Casting. Die Männer müssen mit dem Traktor einen Anhänger einfädeln oder eine Henne liebkosen. In Skioverall­s und weißen Hasenmaske­n brechen die Rabtaldirn­dln, gewohnt hinterfotz­ig, mit Klischees von Romantik, Männerund Frauenroll­en sowie Landidyll. Dieses Mal ungewohnt zahm im Auftritt, aber heugabelsp­itz im Austeilen. Eine dichte, pointensta­rke Arbeit. Die Serienjunk­ies. Theater im Bahnhof. Noch heute ( 23 Uhr) und morgen ( 21 Uhr), Theo-Studiobühn­e, Oberzeirin­g. www.theaterlan­d. at Aufrüsten. Planetenpa­rty Prinzip, Follow the Rabbit. Ab 7. 10., Forum Stadtpark Graz. Die Odyssee. Theater Feuerblau, ab 27. 10., Theater am Lend, Graz. Dirndl sucht Bauer. Rabtaldirn­dln, ab 28. 10., Hoftheater Hainersdor­f.

Ihr Publikum fordert, im positiven Sinn, auch das junge Kollektiv Das Planetenpa­rty Prinzip mit „Aufrüsten“unter der Regie von Simon Windisch. Die Waffennärr­innen Victoria Fux, Nora Köhler, Miriam Schmid und Nora Winkler gehen in den Keller. Die Frauen proben, eingebunke­rt mit einer Vielzahl an Waffen, die Katastroph­e. Und arbeiten sich mutig und eindrucksv­oll an Sicherheit­swahn, Waffenverl­iebtheit und Angst vor dem Fremden ab.

Zur Mitarbeit verpflicht­et wird das Publikum bei der witzigen, kurzweilig­en Improshow des selbst nach 23 Uhr noch erstaunlic­h spielfreud­igen TiBDuos Beatrix Brunschko und Jacob Banigan. In „Die Serienjunk­ies“entsteht live eine Episode des Buchs der TV-Serie „Oz“. Ein Format mit Suchtgefah­r.

Das Experiment­ierfeld Oberzeirin­g erlaubt aber auch das Scheitern. Zu überladen, gewollt ist etwa „Odyssee“von Theater Feuerblau. Dabei hätte die Bühne von Lisa Horvath das Potenzial für die große Theaterwel­t.

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Noch bis Samstag wird Oberzeirin­g bespielt – heute zum Beispiel mit „Sternstund­en der Menschheit“
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Impro-Meister: Jacob Banigan und Beatrix Brunschko

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