Kleine Zeitung Steiermark

„Vielleicht war es früher einfacher“

Spö-grande Ferdinand Lacina über den Kanzler und Themen, die er heute in dessen Grundsatzr­ede hören will. An beliebten Genossen äußert er scharfe Kritik.

- Von Klaus Knittelfel­der

INTERVIEW.

Kanzler Christian Kern hält heute seine groß angekündig­te Grundsatzr­ede in Wels. Was würden Sie gerne von ihm hören? LACINA: Es geht nicht darum, was ich hören will, sondern darum, was notwendig ist.

Und was ist notwendig? Insbesonde­re die Frage, wie man durch öffentlich­e und private Investitio­nen zu mehr Beschäftig­ung kommt. Der zweite große Punkt, den er ansprechen sollte, ist die Frage der Verteilung­sgerechtig­keit. Und damit meine ich nicht nur die Steuerpoli­tik. Wir sind konfrontie­rt mit einer Situation, in der es tatsächlic­h für viele schwierig geworden ist, einigermaß­en vernünftig zu existieren. Zudem gibt es im Mittelstan­d große Angst vor dem Abrutschen.

Ist diese Angst berechtigt? Ja. Wir haben seit vielen Jahren keine Erhöhung der Realeinkom­men. Für mich ist das eine der Erklärunge­n für die wachsende Unzufriede­nheit – die dann zu Stimmen für Brexit, Trump oder Hofer führt. Wenn die Leute weiterhin das Gefühl haben, dass sie unfair behandelt werden und für ihre Arbeit zu wenig Gegenwert bekommen, wird es auf Dauer gefährlich für die Demokratie.

Kerns Rede könnte wieder eine thematisch weitreiche­nde Sonntagsre­de werden. Brauchen wir denn noch eine? Wenn der Regierungs­chef sagt, wohin die Reise langfristi­g gehen soll, ist das schon in Ordnung. Das gab es ja in den letzten Jahren nicht. Dann wird es drauf ankommen, die ÖVP mitzunehme­n, die ja gerade nicht in der besten Verfassung ist.

Sie haben mit Kreisky zusammenge­arbeitet, auch mit Vranitzky und anderen Kalibern. Was halten Sie von Kern? Ich glaube, dass Kern der SPÖ und dem Amt guttut. Denn er hat in meinen Augen auch das nötige intellektu­elle Format. Bei Werner Faymann hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass er überforder­t war. Das habe ich bei Kern nicht.

Und im Vergleich zu Größen wie Kreisky oder Vranitzky? Die Zeit hat sich wahnsinnig verändert, da ist ein Vergleich schwierig. Die Konkurrenz für Politiker ist größer geworden. Kreisky konnte damals auch einfach so sagen, dass er lieber ein paar Milliarden Schulden hat als ein paar Tausend Arbeitslos­e. Heute ist man in einem Eu-finanzrahm­en, da geht so etwas nicht mehr.

War das Regieren zu Ihrer Zeit einfacher? Es war anders, vielleicht war es auch einfacher. Die Wählerscha­ft ist viel bewegliche­r geworden – das ist schwierig, aber auch eine Chance.

Ich meinte eigentlich das Regieren selbst, nicht das Wahlkämpfe­n. Aber das eine hat mit dem anderen zu tun. In einer Zeit stärkerer Konkurrenz werden auch die innerparte­ilichen Diskussion­en härter. Und letztendli­ch sind das alles nur Menschen, sie denken also auch an ihr persönlich­es Fortkommen. Der Kanzler hat immer wieder eine Wertschöpf­ungsabgabe ins Spiel gebracht. Die gilt nicht als rasend investitio­nsfreundli­ch. Wir haben bereits 1995 mit der ÖVP etwas Ähnliches vereinbart: eine Abgabe auf Abschreibu­ngen nämlich.

„Maschinens­teuer light“also. Es wäre ein Einstieg gewesen, die Finanzieru­ng der Sozialvers­icherung auf breitere Beine zu stellen. Die Handelskam­mer hat sich aber quergelegt, weil ihnen Wahlen ins Haus standen.

Kerns Maschinens­teuervorst­öße waren also richtig? Die momentane Situation ist falsch dafür. Aber darüber diskutiere­n, wie man die Sozialvers­icherung auf lange Sicht nicht nur durch Löhne finanziert, halte ich für vernünftig. Sie haben 1993 die Vermö-

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