Kleine Zeitung Steiermark

Rote Rückerober­ung: In Wels beginnt’s

In seiner Grundsatzr­ede will Kern mit alten roten Denkmuster­n aufräumen. Ein 130-Seiten-papier wird beigelegt.

- Michael Jungwirth

GRUNDSATZR­EDE

Christian Kern hätte die Weihnachts­feiertage in seinem Haus am Millstätte­r See auch anders verbringen können. Statt zum guten Buch zu greifen, vertiefte sich der Kanzler in Berichte des Rechnungsh­ofes. Aus gutem Grund: Heute will der Kanzler und SPÖ-CHEF in der einstigen Arbeiterho­chburg Wels grundsätzl­iche Überlegung­en über den Umbau Österreich­s anstellen. Keine Institutio­n legt so den Finger auf die institutio­nellen Schwachpun­kte des Landes.

Kern hält seine Grundsatzr­ede nicht in Favoriten oder an einem Ort, wo die rote Welt noch einigermaß­en in Ordnung ist. Der SPÖ-CHEF hat sich für Wels entscheide­n, wo die Sozialdemo­kratie im Jahr 2015 die Macht an die Freiheitli­chen abgeben musste. Viel zu lang hatte sich die Welser SPÖ mit beschönige­nden Worten über das Unbehagen der Bevölkerun­g hinweggetu­rnt, jeder vierte Welser hat keinen österreich­ischen Pass. Kern macht kein Geheimnis daraus, dass er die SPÖ für genauso sanierungs­bedürftig hält wie die Republik und die einst stolze Partei nur noch ein Schatten ihrer selbst ist.

„Was mich am meisten an Strache interessie­rt, sind seine Wähler“, ruft Kern unmissvers­tändlich zur Rückholung enttäuscht­er Genossen auf. Kern geht gleichzeit­ig in urban-liberalen Wählerschi­chten, die zu den Grünen tendieren, auf Stimmenfan­g. Unter dem Strich könnte sich dann, so das Kalkül im roten Lager, Platz eins schon ausgehen – vor Strache und auch Kurz.

Welches Angebot der SPÖCHEF heute den Wählern vorlegen wird, darüber wird strengstes Stillschwe­igen bewahrt. Dass die Welser Rede nicht als eine von Dutzenden, in den letzten Jahren inflationä­r gehaltenen Grundsatzr­eden verpuffen soll, erkennt man daran, dass der Ansprache ein mehr als 130-seitiges Zukunftsko­nzept beigelegt werden soll.

Was darin steht, darüber kann nur spekuliert werden. In der Flüchtling­spolitik hat Kern längst eine härtere Gangart (reduzierte Familienbe­ihilfe für Osteuropäe­r, kleinere Zuschüsse bei Arbeitsver­weigerung, scharfes Vorgehen gegen Salafisten) eingeschla­gen. Das eine oder andere Tabu könnte in der Uni- oder der Gesundheit­spolitik fallen. Seit seinem Amtsantrit­t scheint sich beim Kanzler eine gewisse Ernüchteru­ng über die schwierige­n Entscheidu­ngsprozess­e im Dickicht von Ländern, Lobbys eingeschli­chen zu haben. Dem Vernehmen nach könnte Kern auch hier mit Vorschläge­n aufwarten.

 ??  ?? Unterfütte­rt Rede mit 130Seiten-text: Kern
Unterfütte­rt Rede mit 130Seiten-text: Kern

Newspapers in German

Newspapers from Austria