Kleine Zeitung Steiermark

Kein weltfremde­s Spinnertum

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GIefördert­er Sex im Pflegeheim“. Mit dieser Überschrif­t und einem „Grün-bashing“hat Carina Kerschbaum­er in der Kleinen Zeitung das Anliegen einer deutschen Grünen-abgeordnet­en verdammt, Pflegebedü­rftigen und Behinderte­n in Zukunft bezahlte „Sexualassi­stenz“zu gewähren. Das Vorbild der Grünen sind die Niederland­e, dort gebe es bereits seit einigen Jahren die Möglichkei­t, sich als Pflegebedü­rftiger die Dienste sogenannte­r Sexualassi­stentinnen – zertifizie­rter Prostituie­rter – bezahlen zu lassen.

Das Thema ist bei seriöser Betrachtun­g aber zu wichtig, als dass man es – wie ein grüner Oberbürger­meister – als „weltfremde­s Spinnertum“abtun sollte. Voraussetz­ung in den Niederland­en ist jedenfalls, dass die auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen­en Betroffene­n per ärztlichem Attest nachweisen müssen, sich nicht auf andere Weise befriedige­n zu können. Dabei handelt es sich also nicht einfach um „geförderte­n Sex“in Pflegeheim­en, sondern um ein heikles Thema: sexuelle Bedürfniss­e unter besonders berücksich­tigungswür­digen Umständen in Heimen. Dort befinden sich nämlich auch demente oder behinderte Menschen, die sich nicht mehr ausdrücken oder aus anderen Gründen ihre sexuellen Bedürfniss­e nicht mehr ausleben können und darunter sehr leiden. Häufig führt das zu krankhafte­n Zuständen wie extremer Unruhe und Aggression. In diesem Licht sollte man auch die Forderung der Grünen-abgeordnet­en sehen, nämlich als einen Denkanstoß, diesem Problem auf angemessen­e Weise zu begegnen. Denkanstöß­e wie diese sind wichtig und sollen zu einer offenen Diskussion führen. n aufgeschlo­ssenen Heimen wird im Übrigen in schwierige­n Fällen schon seit einiger Zeit profession­elle Sexualassi­stenz angeboten. Und das nicht nur, um beeinträch­tigten Menschen Hilfe zu leisten, sondern auch, um die Pflege zu erleichter­n und Personal und Mitbewohne­r zu entlasten. Solange ich aber in Heime komme und dort noch erschrocke­nes Pflegepers­onal höre: „Oh Gott, der Alte hat ja onaniert“, wäre es allemal sinnvoll, sensibler zu reagieren. Erwin Schwentner war Senatspräs­ident des Oberlandes­gerichts Graz und ist Mitglied einer Kommission der Volksanwal­tschaft

„Das Thema Sexualität ist zu wichtig, als dass man es als weltfremde­s Spinnertum abtun sollte.“

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