LEITARTIKEL Häupls Schlittenfahrt
Jahrelang fuhr der Wiener Bürgermeister mit dem politischen Gegner und innerparteilichen Widersachern Schlitten. Nun fahren die anderen Schlitten mit ihm.
Am oberösterreichischen Wesen könnte die Welt genesen – nicht in allen Fragen, aber in doch einigen grundsätzlichen Punkten. Beim Wirtschaftswachstum sind die Oberösterreicher Vorbild, die Arbeitslosenzahlen sind unterdurchschnittlich, auch beim Netzwerken in Wien kann man ihnen einiges abschauen. Und landespolitisch zeichnen sich die Oberösterreicher dadurch aus, dass ihnen dieses oft unerträgliche, dem 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäße landesfürstliche Gehabe ziemlich fremd ist.
Drei Bundesländer stehen derzeit nach einer mehr als zwei Jahrzehnte langen Dauerregentschaft vor einer politischen Wachablöse, nur Oberösterreich hat die Weichen für Generationenwechsel gestellt, wenn auch nicht ganz friktionsfrei. Im Frühjahr dürfte Josef Pühringer das Zepter an Thomas Stelzer übergeben.
In Niederösterreich herrscht ein eigenartiger Schwebezustand. An sich sollte Johanna Mikl-leitner Erwin Pröll beerben, doch nicht einmal intime Kenner der niederösterreichischen ÖVP wissen, wann der Wechsel über die Bühne geht, vor allem, ob dies überhaupt geräuschlos passiert. Mikl-leitner ist nicht unumstritten, womöglich muss Pröll neuerlich bei der Landtagswahl im Frühjahr 2018 in den Ring steigen.
Was passiert, wenn ein erfolgreicher Spitzenpolitiker den Zeitpunkt für einen ruhmreichen Absprung und Abgang verpasst, wird derzeit in Wien vorexerziert. Seit Wochen toben nicht nur hinter den Kulissen heftige Diadochenkämpfe. Michael Häupl sind längst die Zügel entglitten. Um der eigenen Demontage zuvorzukommen, hat Sonja Wehsely gestern das Handtuch geworfen. Möglich, dass dadurch der Wind aus dem Segel genommen wird und sich der Sturm etwas legt. Wahrscheinlich ist allerdings, dass dies nur der Beginn eines Köpferollens ist.
Was aber aus Sicht des Wiener Bürgermeisters noch
Jschlimmer wiegt: Ein Nachfolger, der die nötige integrative Kraft besitzt, die zwei Lager zu vereinen und zu versöhnen, ist überhaupt nicht in Sicht. Wahrscheinlich stehen wir erst am Beginn beinharter Machtkämpfe zwischen den roten Realos in den bevölkerungsstarken Außenbezirken, die mit der Willkommenskultur oder auch mit Rot-grün wenig am Hut haben, und dem linken Flügel, der sich um Sonja Wehsely gruppiert hatte.
Erfolgreiche Spitzenpolitiker halten sich in ihrer Machtversessenund Machtvergessenheit oft für unentbehrlich. Widerspruch wird als Majestätsbeleidigung aufgefasst, führt zur Disziplinierung, jedes Aufbegehren wird im Keim erstickt. Und wenn einmal der Zenit überschritten ist, was jedem politischen Gestalten innewohnt, wird dann leider der richtige Zeitpunkt für den Abgang verpasst. ahrelang fuhr Wiens Bürgermeister Michael Häupl mit dem politischen Gegner und innerparteilichen Widersachern Schlitten. Nun fahren die anderen mit ihm Schlitten. Schade.