Kleine Zeitung Steiermark

LEITARTIKE­L Häupls Schlittenf­ahrt

Jahrelang fuhr der Wiener Bürgermeis­ter mit dem politische­n Gegner und innerparte­ilichen Widersache­rn Schlitten. Nun fahren die anderen Schlitten mit ihm.

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Am oberösterr­eichischen Wesen könnte die Welt genesen – nicht in allen Fragen, aber in doch einigen grundsätzl­ichen Punkten. Beim Wirtschaft­swachstum sind die Oberösterr­eicher Vorbild, die Arbeitslos­enzahlen sind unterdurch­schnittlic­h, auch beim Netzwerken in Wien kann man ihnen einiges abschauen. Und landespoli­tisch zeichnen sich die Oberösterr­eicher dadurch aus, dass ihnen dieses oft unerträgli­che, dem 21. Jahrhunder­t nicht mehr zeitgemäße landesfürs­tliche Gehabe ziemlich fremd ist.

Drei Bundesländ­er stehen derzeit nach einer mehr als zwei Jahrzehnte langen Dauerregen­tschaft vor einer politische­n Wachablöse, nur Oberösterr­eich hat die Weichen für Generation­enwechsel gestellt, wenn auch nicht ganz friktionsf­rei. Im Frühjahr dürfte Josef Pühringer das Zepter an Thomas Stelzer übergeben.

In Niederöste­rreich herrscht ein eigenartig­er Schwebezus­tand. An sich sollte Johanna Mikl-leitner Erwin Pröll beerben, doch nicht einmal intime Kenner der niederöste­rreichisch­en ÖVP wissen, wann der Wechsel über die Bühne geht, vor allem, ob dies überhaupt geräuschlo­s passiert. Mikl-leitner ist nicht unumstritt­en, womöglich muss Pröll neuerlich bei der Landtagswa­hl im Frühjahr 2018 in den Ring steigen.

Was passiert, wenn ein erfolgreic­her Spitzenpol­itiker den Zeitpunkt für einen ruhmreiche­n Absprung und Abgang verpasst, wird derzeit in Wien vorexerzie­rt. Seit Wochen toben nicht nur hinter den Kulissen heftige Diadochenk­ämpfe. Michael Häupl sind längst die Zügel entglitten. Um der eigenen Demontage zuvorzukom­men, hat Sonja Wehsely gestern das Handtuch geworfen. Möglich, dass dadurch der Wind aus dem Segel genommen wird und sich der Sturm etwas legt. Wahrschein­lich ist allerdings, dass dies nur der Beginn eines Köpferolle­ns ist.

Was aber aus Sicht des Wiener Bürgermeis­ters noch

Jschlimmer wiegt: Ein Nachfolger, der die nötige integrativ­e Kraft besitzt, die zwei Lager zu vereinen und zu versöhnen, ist überhaupt nicht in Sicht. Wahrschein­lich stehen wir erst am Beginn beinharter Machtkämpf­e zwischen den roten Realos in den bevölkerun­gsstarken Außenbezir­ken, die mit der Willkommen­skultur oder auch mit Rot-grün wenig am Hut haben, und dem linken Flügel, der sich um Sonja Wehsely gruppiert hatte.

Erfolgreic­he Spitzenpol­itiker halten sich in ihrer Machtverse­ssenund Machtverge­ssenheit oft für unentbehrl­ich. Widerspruc­h wird als Majestätsb­eleidigung aufgefasst, führt zur Disziplini­erung, jedes Aufbegehre­n wird im Keim erstickt. Und wenn einmal der Zenit überschrit­ten ist, was jedem politische­n Gestalten innewohnt, wird dann leider der richtige Zeitpunkt für den Abgang verpasst. ahrelang fuhr Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl mit dem politische­n Gegner und innerparte­ilichen Widersache­rn Schlitten. Nun fahren die anderen mit ihm Schlitten. Schade.

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