Der Kanzler auf dem Retourkutschbock
Christian Kern hielt eine Rede an die Nation. Dahinter verbirgt sich die Chronik einer Lektion: Der Kanzler kann Kommunikation. Sein Plan A für Österreich beinhaltet siebenmal das Wort „Medien“, erwähnt aber nie den ORF. Die Art, wie der Spö-vorsitzende dieses Programm präsentiert hat, offenbart jedoch einen Plan B neben dem öffentlichrechtlichen Rundfunk. Dessen Botschaft lautet – abgestuft nach Zielgruppen vom Bobo bis zum Hackler: „Kern kann ohne ihn“, oder gar: „Ihr könnt mich!“
Diese Retourkutsche ist das Finale einer einmonatigen Verstimmung. Ihre Ursache liegt im „Bürgerforum“vom 13. Dezember. Solch Volkes Grant am Hauptabend empfand der smarte Regierungschef als derartige Insubordination, dass er sogar die Erhöhung der Rundfunkgebühren zu torpedieren drohte. Doch er wählte eine elegantere Machtdemonstration. Die Ankündigung der Welser Rede eine Woche später wirkte vorerst ohne Zusammenhang mit der Majestätsbeleidigung. Auch ein zu Jahresbeginn verweigerter Zib-2-auftritt wäre noch als Ansteckung mit der grassierenden Armin-wolfphobie zu unterschätzen gewesen. Sogar die Live-sendung von Puls 4 bis Kleine.tv am Mittwoch hätte der ORF wie üblich als Konkurrenz abtun können. Doch als der Kanzler bis fast genau zum Beginn der ZIB durchschwadronierte, musste auch dem letzten Redakteur auf dem Küniglberg klar sein: Das gilt auch uns.
Kern lotet die Möglichkeiten jenes rasanten Medienwandels aus, den seine Regierung noch nicht mit tauglichen politischen Rahmenbedingungen ausgestattet hat. Auf Facebook und Twitter ist er zwar bisher höchstens Vierter hinter Armin Wolf, Sebastian Kurz und Heinz-christian Strache, doch er weiß um die Möglichkeiten, die vermeintlich soziale Netzwerke der Politik eröffnen: als fünfte Macht im Staat, die vorbei an der kontrollierenden vierten Gewalt von herkömmlichen Medien einen direkten Draht zu den Massen bietet.
Der ORF hat diese Lektion so gelernt, wie es der Kanzler wollte. Geradezu artige Befragung in der ZIB 2, erst nachschlafende statt umgehender Analyse in der ZIB 24, pflichtschuldigste Einladung ins Ö-1morgenjournal. Die Scharte durch das wirklich unfair gegenüber (Regierungs-)politik gestaltete „Bürgerforum“wurde nicht nur ausgewetzt, sondern allzu glatt poliert. Diese Runde ging klar an den roten Hoffnungsträger. Sein Adlatus Thomas Drozda hat nun noch mehr Stoff für die von ihm avisierte Orf-enquete. Ihre Ankündigung fehlte unter den vielen Ankündigungen von Christian Kern. Peter Plaikner ist Medienberater und Politikanalyst Der Tiroler Politikanalyst Peter Plaikner