Kleine Zeitung Steiermark

LEITARTIKE­L Zeitenwend­e

Der künftige Us-präsident Donald Trump hält die Nachkriegs­ordnung für hinfällig. Das lässt für die Europäer nur einen Schluss zu: Sie müssen sich endlich von den USA abnabeln.

- Stefan Winkler stefan.winkler@kleinezeit­ung.at

Ein designiert­er Us-präsident, der seit Wochen wie ein halbstarke­r Elefantenb­ulle durch den Porzellanl­aden der internatio­nalen Diplomatie trampelt und jetzt auch noch ohne Not Amerikas ältesten Verbündete­n Europa verstört, indem er die Nachkriegs­ordnung infrage stellt. Das ist einmalig! Das gab es noch nie!

Wer von Lissabon bis Warschau darauf gehofft hatte, dass mit Donald Trump im Weißen Haus nicht alles so schlimm kommen werde, wer unverdross­en darauf gesetzt hatte, die Kraft des hohen Amtes werde den twitternde­n Obertroll aus New York schon noch zähmen, der hat mit dem Interview, das Trump jetzt kurz vor seinem Amtsantrit­t gab, einen Vorgeschma­ck darauf bekommen, was Europa wirklich erwartet.

Die Nato? Obsolet. Der Brexit? Eine großartige Sache, die viele Nachahmer finden werde. Die EU? Ein willfährig­es Werkzeug der Deutschen, gegründet, um Amerikas Handel zu schaden. Mit ungläubige­m Staunen konnte man in der „Bild“-zeitung nachlesen, wie der bald mächtigste Mann der Welt von einem großen Thema zum nächsten irrlichter­t. Wie er zetert, höhnt, lobt, droht und sich in bizarren Allmachtsf­antasien ergeht. „Kann das sein?“, fragt man sich schaudernd. Kann es wirklich sein, dass in Zeiten wie diesen die Außenpolit­ik der einzig verblieben­en Supermacht künftig von einem derartig unreifen Einfaltspi­nsel gestaltet wird?

Es kann und es wird so sein! In den Beziehunge­n zwischen den USA und Europa kündigt sich eine Zeitenwend­e an.

Schon unter Barack Obama war transatlan­tisch längst nicht mehr alles im Lot, ja, in Wahrheit war das Interesse des scheidende­n Us-präsidente­n an Europa enden wollend. Er sah seine Hauptaufga­be darin, den Rückzug der USA als Weltpolizi­st zu managen und die Schäden für die USA dabei gering zu halten. Dennoch hielt er letztlich an seinen westlichen Verbündete­n und der Nato fest.

Trump kümmert das alles

Rherzlich wenig. Er versteht Weltpoliti­k als Abschluss einzelner „big deals“, die primär Amerika nützen sollen. Dass er mit der EU nichts anzufangen weiß, dass er nicht begriffen hat, um welch einzigarti­ges Friedenspr­ojekt es sich handelt, ist schlimm genug. Übel sind auch seine Versuche, mit dem Schüren antideutsc­her Ressentime­nts Zwietracht zwischen den Eu-partnern zu säen.

Wirklich dramatisch ist allerdings, dass offenbar auch die Nato Trump so wenig bedeutet. Nie zuvor hat ein Us-präsident den Verteidigu­ngspakt, der Europa jahrzehnte­lang Schutz vor Moskau gab, so unverhohle­n in Zweifel gezogen. Das ist die wahre Zäsur. usslands Aggression mit Härte und Entschloss­enheit zu begegnen, wird für die Europäer zweifelsoh­ne nun noch schwierige­r werden. Mit der Unterstütz­ung der USA dürfen sie jedenfalls nur mehr eingeschrä­nkt rechnen. Das lässt nur einen Schluss zu: Los vom Rockzipfel der USA! Europa muss endlich erwachsen werden. Will es bestehen, muss es sich auch militärisc­h auf eigene Beine stellen.

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