Kleine Zeitung Steiermark

LEITARTIKE­L Eine Rede zum Fürchten

Donald Trump hat in seiner Inaugurati­onsrede jegliche Inspiratio­n vermissen lassen. Er ruft zur Versöhnung und Einheit auf, aber gleichzeit­ig Politikern zu: Schert euch zum Teufel!

- Ingo Hasewend ingo.hasewend@kleinezeit­ung.at

Nun ist Donald Trump also der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika. Wer jedoch geglaubt hat, dass mit dem Gelöbnis ein neuer Trump vor die Welt tritt, der wurde enttäuscht – oder eben befriedigt, wenn man denn mit diesem neuen Politiksti­l tatsächlic­h Hoffnung auf etwas Besseres verbindet. Seine erste Rede an die Nation war nichts anderes als eine Wahlkampfr­ede. Bekannte Standpunkt­e, kein konkretes Programm, nur lose Ankündigun­gen. Und kein Ansatz von präsidiale­r Mäßigung. Tatsächlic­h versetzte er der auf dem Podium versammelt­en politische­n Staatsspit­ze einen kräftigen Tritt in den Hintern, rief der Elite im übertragen­en Sinne zu: Schert euch zum Teufel!

Und dennoch schwang in seinen Worten eine neue Botschaft mit, die er in seiner ersten Rede in der Wahlnacht hat anklingen lassen. Es ist das Verspreche­n, alle Menschen zusammenbr­ingen zu wollen, das Volk zu einen, es zu versöhnen. Freilich, er will es, um damit der Nation jene Kraft zu geben, seine Botschaft, Amerika wieder groß zu machen, auch mit Leben erfül- len zu können. Doch mit dieser unversöhnl­ichen Ansage an politische Mitstreite­r – schließlic­h galt der Satz „Wir werden keine Politiker mehr akzeptiere­n, die nur reden und nicht handeln“auch für seine Kollegen aus der republikan­ischen Partei – dürfte die Bereitscha­ft zur Versöhnung gering sein.

Sein bisheriger Stil erinnert stark an Richard Nixon. Auch der 37. Präsident provoziert­e und polarisier­te. Das ließ sich schon 1969 bei seiner Inaugurati­on ablesen. Er verfolgte einen konservati­ven Populismus, wie es Biograf David Greenberg nannte. Seine Worte und Taten mobilisier­ten Ablehnung und Zustimmung gleicherma­ßen, nur nie moderat. Nixon war – nach allem, was man durch Biografen wie Tim Weiner weiß – von Wut und Rachsucht getrieben, von Misstrauen geleitet, im ständigen Kampf mit Gegnern, Geheimdien­sten und seinem

IUmfeld, berüchtigt für Flüche und Skrupellos­igkeit. Er hat das Us-system mit seinem Handeln, das bis heute nachwirkt, stark beschädigt. Er wurde der erste Präsident, der abtreten musste. st diese Analogie eine Prognose für Trump? Sicher nicht. Schließlic­h gilt es nun, ganz in demokratis­cher Tradition, seine ersten Taten abzuwarten. Doch die Rede hat vielfach ungläubige­s Kopfschütt­eln ausgelöst – nicht nur bei den vier anwesenden Altpräside­nten. Sein angekündig­ter Paradigmen­wechsel – er will die Macht von der Politik wieder an das Volk zurückgebe­n – mag klangvoll sein in den Ohren seiner Anhänger, die sich abgehängt fühlen. Doch wenn er sagt: „Das amerikanis­che Gemetzel endet genau hier und jetzt“, und damit die Schieflage in der Gesellscha­ft mit all ihren Drogen, ihrer Kriminalit­ät und ihren Gangs meint, dann muss er auch eine Antwort liefern, wie und mit welchen Mitteln er das ohne das etablierte Politiksys­tem erreichen will. Eine Antwort darauf hat er mit keiner Faser geliefert. Es fehlte nicht nur die Hoffnung auf einen Wechsel zum Besseren, es fehlte jede Inspiratio­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria