Kleine Zeitung Steiermark

LEITARTIKE­L Verheerend­es Sittenbild

Die Geständnis­se im freiheitli­chen Wahlbrosch­üren-prozess in Kärnten offenbaren die Selbstherr­lichkeit der Regierende­n und die Willfährig­keit in ihrem Umfeld.

- Von Antonia Gössinger antonia.goessinger@kleinezeit­ung.at

Zwei Kärntner, ein Gesangsver­ein, heißt es landläufig. Stefan Petzner, der schillernd­e Politstrat­ege, ist zwar gebürtiger Steirer, er wurde aber im Kärntner blau-orangen freiheitli­chen Milieu sozialisie­rt. Nachdem er in der Vorwoche im Landesgeri­cht in Klagenfurt zu „singen“begonnen hat, stimmte gestern der frühere Finanzrefe­rent Harald Dobernig in das „Ich gestehe“-lied ein. Petzner, Dobernig, Ex-landeshaup­tmann Gerhard Dörfler, Ex-landeshaup­tmannvize Uwe Scheuch und zwei Geschäftsf­ührer einer Landesgese­llschaft sitzen wegen einer Wahlbrosch­üre gemeinsam auf der Anklageban­k.

Lang hat es gedauert, bis es so weit war. Die Broschüre, die mit Landesgeld gezahlt wurde, zwangsbegl­ückte alle Kärntner Haushalte im Februar 2009, wenige Tage vor der Jörg-haidergedä­chtnis-landtagswa­hl. Die Antwort, warum es so lange gedauert hat, bis die Causa vor dem Richter landete, sollte das Justizmini­sterium noch liefern. Wichtig ist, dass politische Selbstbedi­enung und politische Selbstherr­lichkeit sich zu verantwort­en haben.

Der Schaden, der in der damaligen Ära in Kärnten mit der Pleitebank Hypo angerichte­t wurde, hat eine wesentlich größere Dimension als der, den die Broschüre verursacht hat. Die Aufarbeitu­ng vor Gericht offenbart aber auch bei diesem Prozess ein verheerend­es Sittenbild – ein Bild von Absolutism­us der Regierende­n und Willfährig­keit der Administra­tion, grenzenlos­er Selbstüber­schätzung und anbiedernd­em Mitläufert­um.

Petzner sei in seiner Personalun­ion als Wahlkampfl­eiter und engster Vertrauter Haiders ein „Protagonis­t“gewesen, „der getan hat, was er wollte“. Und „niemand hat rückgefrag­t, in welcher Funktion er Aufträge erteilt hat“, gestand Dobernig. Und niemand habe sich Gedanken über mögliche rechtliche Folgen gemacht. Das schräge Bild wird davon abgerundet, dass ein Anwalt (!) den wegen der Broschüre in Bedrängnis

Dgeratenen Politikern den verhängnis­vollen Rat gegeben haben soll, sie sollten behaupten, dass von vornherein vereinbart gewesen sei, die Partei würde die Broschüre finanziere­n.

Petzner und Dobernig haben Geständnis­se abgelegt. Dörfler und Scheuch können nächste Woche „singen“oder bei ihrer Verantwort­ung „nicht schuldig“bleiben. Der Schöffense­nat wird die Aussagen zu gewichten und zu beurteilen wissen. Die juristisch­e Aufarbeitu­ng der unseligen politische­n Vergangenh­eit in Kärnten verdient es jedenfalls, österreich­weit Beachtung zu finden. Sie sollte auch Nachahmung finden. as ignorante Verhalten gegenüber der Rechtsstaa­tlichkeit, diese Verluderun­g der politische­n Kultur, wirkt in Kärnten vier Jahre nach dem politische­n Wechsel noch nach. Gerade wurde die Verurteilu­ng eines Landesrate­s wegen Amtsmissbr­auchs rechtskräf­tig. Statt Konsequenz­en zu ziehen, spielt der Herr die Opferrolle. Es handelt sich um keinen Freiheitli­chen, sondern um Gerhard Köfer vom Team Kärnten, vormals Stronach. Wollte es diese Partei nicht besser machen?

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