LEITARTIKEL Verheerendes Sittenbild
Die Geständnisse im freiheitlichen Wahlbroschüren-prozess in Kärnten offenbaren die Selbstherrlichkeit der Regierenden und die Willfährigkeit in ihrem Umfeld.
Zwei Kärntner, ein Gesangsverein, heißt es landläufig. Stefan Petzner, der schillernde Politstratege, ist zwar gebürtiger Steirer, er wurde aber im Kärntner blau-orangen freiheitlichen Milieu sozialisiert. Nachdem er in der Vorwoche im Landesgericht in Klagenfurt zu „singen“begonnen hat, stimmte gestern der frühere Finanzreferent Harald Dobernig in das „Ich gestehe“-lied ein. Petzner, Dobernig, Ex-landeshauptmann Gerhard Dörfler, Ex-landeshauptmannvize Uwe Scheuch und zwei Geschäftsführer einer Landesgesellschaft sitzen wegen einer Wahlbroschüre gemeinsam auf der Anklagebank.
Lang hat es gedauert, bis es so weit war. Die Broschüre, die mit Landesgeld gezahlt wurde, zwangsbeglückte alle Kärntner Haushalte im Februar 2009, wenige Tage vor der Jörg-haidergedächtnis-landtagswahl. Die Antwort, warum es so lange gedauert hat, bis die Causa vor dem Richter landete, sollte das Justizministerium noch liefern. Wichtig ist, dass politische Selbstbedienung und politische Selbstherrlichkeit sich zu verantworten haben.
Der Schaden, der in der damaligen Ära in Kärnten mit der Pleitebank Hypo angerichtet wurde, hat eine wesentlich größere Dimension als der, den die Broschüre verursacht hat. Die Aufarbeitung vor Gericht offenbart aber auch bei diesem Prozess ein verheerendes Sittenbild – ein Bild von Absolutismus der Regierenden und Willfährigkeit der Administration, grenzenloser Selbstüberschätzung und anbiederndem Mitläufertum.
Petzner sei in seiner Personalunion als Wahlkampfleiter und engster Vertrauter Haiders ein „Protagonist“gewesen, „der getan hat, was er wollte“. Und „niemand hat rückgefragt, in welcher Funktion er Aufträge erteilt hat“, gestand Dobernig. Und niemand habe sich Gedanken über mögliche rechtliche Folgen gemacht. Das schräge Bild wird davon abgerundet, dass ein Anwalt (!) den wegen der Broschüre in Bedrängnis
Dgeratenen Politikern den verhängnisvollen Rat gegeben haben soll, sie sollten behaupten, dass von vornherein vereinbart gewesen sei, die Partei würde die Broschüre finanzieren.
Petzner und Dobernig haben Geständnisse abgelegt. Dörfler und Scheuch können nächste Woche „singen“oder bei ihrer Verantwortung „nicht schuldig“bleiben. Der Schöffensenat wird die Aussagen zu gewichten und zu beurteilen wissen. Die juristische Aufarbeitung der unseligen politischen Vergangenheit in Kärnten verdient es jedenfalls, österreichweit Beachtung zu finden. Sie sollte auch Nachahmung finden. as ignorante Verhalten gegenüber der Rechtsstaatlichkeit, diese Verluderung der politischen Kultur, wirkt in Kärnten vier Jahre nach dem politischen Wechsel noch nach. Gerade wurde die Verurteilung eines Landesrates wegen Amtsmissbrauchs rechtskräftig. Statt Konsequenzen zu ziehen, spielt der Herr die Opferrolle. Es handelt sich um keinen Freiheitlichen, sondern um Gerhard Köfer vom Team Kärnten, vormals Stronach. Wollte es diese Partei nicht besser machen?