Bettlerjagden im Barock
Nichts ist neu: Fremde wurden schon vor 300 Jahren als sehr verdächtig und bedrohlich empfunden, vor allem, wenn sie arm waren und in Massen auftraten.
In der Barockzeit waren auch in der Steiermark Elend, Verfolgung und bitterste Not allgegenwärtig, berichtet der Grazer Rechtshistoriker Helfried Valentinitsch in seinem Artikel „Fremd und arm im Zeitalter des Barock“.
Das war die Kehrseite zum üppigen Barockleben einer schmalen Oberschicht, das uns in schönen Bildern überliefert wird. In der Steiermark lebte die breite Masse so, wie man es heute in sogenannten Entwicklungsländern sieht: fast ohne Infrastruktur und Krankenversorgung, ohne Ausbildungsmöglichkeit, dafür aber ausgebeutet. Dazu kamen gegen Ende des 30-jährigen Krieges (1618–1648) immer mehr fremde Obdachlose in die vom Krieg verschonte Steiermark. Und wie immer war es die Unterschicht, die besonders betroffen war. Das waren damals Gesellen ohne Aussicht auf eine Meisterstelle, Dienstboten und Tagelöhner sowie Keuschler, Nebenerwerbsbauern, Witwen und entlassene Soldaten, die verroht und bet- telnd herumzogen. Weiters „Zigeuner“, Hausierer, Arbeitslose, Prostituierte und fahrendes Volk wie Gaukler, Zahnbrecher und Komödianten – sie alle hatten keinen festen Wohnsitz und konnten nicht ohne fremde Hilfe überleben.
Möglichkeiten, diesen Armen wirksam zu helfen, waren in der Steiermark damals sehr beschränkt, schreibt Valentinitsch. So gab es hier um 1700 etwa 100 Spitäler, in denen arme, kranke und behinderte Personen verpflegt werden konnten. Das waren aber keine Krankenhäuser im heutigen Sinn, sondern sie waren eher heutigen Altersheimen vergleichbar, deren Aufnahmekapazität sehr beschränkt war – meist fanden nur zehn Personen dort Platz. Ihre Erhaltung wurde durch fromme Stiftungen von Privatpersonen finanziert oder von Klöstern, Grundherren oder Gemeinden. Als Gegenleistung beteten die Insassen für das Seelenheil des Stifters.
Beispiele für solche Einrichtungen sind die Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder Robert Engele Damals in der Steiermark und der Elisabethinen in Graz sowie das Grazer Waisenhaus mit fast 220 Pflegeplätzen, das von einem reichen Heereslieferanten gestiftet wurde. Im Spital zu Gleisdorf, das im 17. Jahrhundert von den Grafen Kollonitsch gegründet worden war, wurde sogar jeder Untergebrachte neu eingekleidet – in die Uniform der gräflichen Lakaien, also in weißes Hemd, blaue Kniehose, weiße Wollstrümpfe und blauen Rock.
Zwischen 1650 und 1720 versuchte die Regierung, die verdächtige Mobilität der Randgruppen brutal in den Griff zu bekommen. Das bekamen vor allem „Zigeuner“(Roma), einzelne fremde Bettler und kriminelle Banden zu spüren. „Zigeuner“waren praktisch vogelfrei und konnten von jedem straflos getötet werden, berichtet Valentinitsch.
1724/25 ließ Kaiser Karl VI., der Vater Maria Theresias, in Graz eine eigene „Hofkommis-