Ein später Funkenflug
Funke endlich übersprang und Verdis Sog Musiker wie Publikum mitriss. Warum so spät?
Zwei Ursachen wären zu nennen: Marco Armiliato, der Dirigent, und Daniele Abbado, der Regisseur. Armiliato hemmt den Fluss der Musik, wo er ihn befeuern sollte. Ins Korsett seiner überdeutlichen Zeichengebung gezwängt, kann sich Verdis sprühende Musik nicht entfalten. Nach vielen Repertoireabenden am Haus könnte der Italiener eigentlich wissen, dass es besser sein kann, das Orchester walten zu lassen.
Den Rest verübte Regisseur Daniele Abbado, der Sohn des großen, 2014 verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado. Den mörderischen Brüderzwist verlegt er in den spanischen Bürgerkrieg, um die Erzählung auf die Ebene der Menschheitsgekumslieblinge schichte zu heben. Der prächtig studierte Chor schleppt also Gewehre herum und Madonnenfiguren, wenn er nicht gerade untätig herumsteht. Den Solisten das opernübliche Armerecken abzugewöhnen, sah Abbado offenbar auch nicht als seine Aufgabe. So sieht die Premiere denn aus wie ihre 90. Reprise mit eingeflogenen Gästen.
Die aber retteten zuletzt, was zu retten war. Anna Netrebkos Inbrunst zwingt auch szenischem Unfug noch Herzbewegendes ab. Ludovic Teziér zeigt im zweiten Teil des Abends, dass sein Bariton nicht nur prachtvoll orgeln, sondern auch packend gestalten kann. Roberto Alagna braucht am längsten, um in Fahrt zu kommen. Luciana D’intino ist ihm eine ebenbürtige Stiefmutter. Der Jubel galt zu Recht den Sängern.