„Der Druck kommt nur von oben!“
Wieso man heute mit 140 km/h durch den Eiskanal von St. Moritz brausen kann. Und wie sich das eigentlich anfühlt.
REPORTAGE. wie es heißt, einzigartig geblieben: Die Bahn ist die letzte verbliebene Natur-bobbahn der Welt. Dabei gab es in der Schweiz allein einst 34 Stück – nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit aber nur noch vier. Was Natur-bobbahn heißt: Jahr für Jahr wird sie mit Schnee akribisch aufgebaut, dann wird vereist. Keine leichte Aufgabe – die berühmteste Kurve, der „Horseshoe“, ähnlich der Form eines Hufeisens, muss wie vom Zirkel gezogen sein, ebenso die
WZielkurve. Die Profis im Viererbob erreichten in diesem Jahr erstmals ein Tempo von über 150 km/h – unsauberer Bau wäre da gefährlich. as bis heute geblieben ist: Jedermann kann die Bahn unter die Kufen nehmen, „Taxibob“nennt sich das. Die Szenerie ist irgendwie magisch. Die Bobbahn liegt malerisch neben dem berühmten Kulm Hotel, das Starthaus ist der berühmte „Dracula Club“. Alles, was man braucht, sind ein Helm und etwas Mut. Und natürlich einen Piloten und einen Bremser, denn selbst Hand anlegen ist nicht gestattet – zumindest nicht beim ersten Mal. Die Bobs stehen einer nach dem anderen am Start, die Piloten sind teils höchst erfolgreiche Sportler – in diesem Fall ist es Martin Galliker, der einst Europameister war. Und sein Bremser Peter Liechti meint nach einem Blick auf seine zwei Gäste: „Dasch wird hüt aber wiedr a enge Fahrt.“Um dann zum Wesentlichen zu kommen. Kopf einziehen, Nacken anspannen, sagt er. Aber nie nach vorn beugen: „Wenn der Kopf einmal unten ist, kriegst du ihn nie wieder rauf!“Nach dem Einsteigen heißt es erst einmal schlichten, bis jeder Körperteil da ist, wo er sein soll. Wichtig: Gut festhalten. Und dann geht es los, feierlich begrüßt vom Bahnsprecher. Erstaunlich ruhig sind die ersten Meter, die Kufen gleiten dahin. Und dann
Dgeht es Schlag auf Schlag – Kurve links, erste Kurve rechts. Der Versuch, zu sehen, wann die nächste Kurve kommt. Schwierig, es wird immer schneller. er Druck, der in den letzten Kurven („Der Druck kommt immer nur von oben“, sagte Liechti) entsteht, entspricht etwa dem vier- bis fünffachen des Körpergewichts. Und nach dem Bremsen meint der Pilot: „So schnell wie wir sind die Zweierbobs im Weltcup – rund 140 km/h.“Nach knapp 75 durchgeschüttelten Sekunden ist alles vorbei – der Lohn: ein Glas Sekt in der „Dracula Bar“, ein Diplom – und eine Erfahrung fürs Leben. Und die Lust, es vielleicht sogar auf dem Cresta Run zu versuchen. Die vergeht aber, wenn man die 80 Meter hinüberschlendert. Dort trainiert man gerade für das „Grand National“am Samstag. Die Bilanz: Zwei Unfälle, die Ambulanz ist noch immer da. Ein Diplom pro Tag reicht ja.