Kleine Zeitung Steiermark

Die unverwüstl­iche Ein-mann-feuerwehr

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PORTRÄT. Hugo Portisch wird heute 90. Das hat sich indes herumgespr­ochen. Dazu eine Würdigung des Jubilars, die hoffentlic­h nicht zu einem vorsorglic­hen Nachruf auf eine gefährdete Art des Journalism­us geraten ist.

Immer dann, wenn ihn etwas besonders aufregt, unterbrich­t er das Schwammerl­suchen in seiner toskanisch­en zweiten Heimat, er setzt sich hin und beginnt zu schreiben. Und weil Hugo Portisch so viel weiß, wird ihm daraus, sozusagen unter der Hand, ein schmaler Buchband. Aber, wie gesagt, es muss schon b e s o nd e r s aufregend sein, denn: „Aufregend war es immer“. So lautet der Titel seiner Lebenserin­nerungen, die jetzt auch in einer erweiterte­n Sonderausg­abe neu ediert wurden.

Besonders aufgeregt hat ihn zum Beispiel der Niedergang der EU und so erschien schon vor längerer Zeit der Band „Was jetzt“. Und die Wahl von Donald Trump trieb ihn zur Schrift „Leben mit Trump – Ein Weckruf “, die vor einer Woche in diesem Blatt besprochen wurde.

Hugo Portisch war als Chefredakt­eur des „Kurier“ein angesehene­r Printjourn­alist und er wirkte viele Jahre als Chefvon

Bkommentat­or beim ORF, als der er sich praktisch von überall meldete. In seiner dritten Karriere wurde er mit seinem Kameramann und Regisseur Sepp Rief und mithilfe einer Riege prominente­r Historiker eine Art moderner Volksbildn­er der Nation: mit Dokumentar­film Serien über die Erste und die Zweite Republik und mit „Hört die Signale“, einer Dokumentat­ion über Aufstieg und Fall des Sowjetkomm­unismus.

Alle diese Orf-erfolgsser­ien erschienen bei Kremayr und Scheriau auch als gewichtige Bücher, opulent bestückt mit Fotos, ein Gutteil von ihnen aus ausländisc­hen Archiven. Aber Buchautor war Hugo Portisch schon früher geworden, denn auch die „So sah ich“- Serien im „Kurier“über seine Reisen in die Sowjetunio­n, nach Afrika, Südamerika, China und Sibirien wurden Bucherfolg­e. Besonders der 1964 edierte Band „So sah ich China“, der auch in den USA zu Bestseller-ehren kam. Der Weitblick, den er in der großen Welt schulte, erlaubte es ihm auch, die politische­n Entwicklun­gen im kleinen Österreich kompetent einzuordne­n. ei allen seinen berufliche­n Wandlungen, kurzfristi­g macht er sogar einen Abstecher in die Diplomatie, ist Hugo Portisch bis in sein hohes Alter immer eines geblieben: Ein neugierige­r Journalist, der die Verpflicht­ung fühlt, sein Wissen auch weiterzuge­ben, weil er davon überzeugt ist, dass eine fundierte Informatio­n auch etwas bewirken kann – durchaus in einem aufkläreri­schen Sinn. Die-

Nse intensive Neugier lässt ihn auch scheinbare Nebensächl­ichkeiten wahrnehmen. So fiel ihm zum Beispiel in Kuba auf, dass man dort sogar die grimmige kommunisti­sche Internatio­nale im Cha-cha-cha-rhythmus zu spielen vermag. ach alter Journalist­entraditio­n fühlte sich Portisch immer verpflicht­et, möglichst wahrheitsg­etreu zu berichten und zu erklären – aber auch zu werten. Das setzt voraus, dass man daran glaubt, dass es Wahrheit auch gibt. Und an die heißt es möglichst nahe herankomme­n: durch genaue Recherche, zu der auch immer das Anhören der Gegenseite gehört. Und vor allem: „Nie glauben, die Leser seien zu dumm, um zu verstehen, und immer wissen, dass die Leser gefordert werden wollen.“

Bei ihm kommt noch eine besondere Begeisteru­ngsfähigke­it dazu, die er auch auf andere Bereiche ausdehnt. Wenn er zum Beispiel gerade erfolgreic­h eine Kur mit Trenndiät absolviert, erzählt er davon mit derartiger Überzeugun­gskraft, dass man versucht ist, daheim auch gleich ein solches Experiment zu beginnen.

Hugo Portisch und Hans Dichand haben sich in ihrer Lehrzeit die Anfangsgrü­nde des Journalism­us bei der Övp-orientiert­en „Wiener Tageszeitu­ng“gegenseiti­g beigebrach­t. Den Feinschlif­f aber holte sich der junge Journalist in Amerika, als er 1950 für ein halbes Jahr an eine der besten Ausbildung­sstätten für Journalist­en geschickt wurde, an die „School of Journalism“an der Universitä­t Missouri. Der „Dr. der Zeitungswi­ssenschaft­en“, den er in Österreich zudem erwarb, war für den Praktiker da nur eine Zugabe in Theorie.

Wenn der immer ausnehmend höfliche Senior Portisch heute gefragt wird, wodurch sein Weltbild am stärksten geprägt wurde, dann nennt er die Nachkriegs­jahre 1945/46. Wie die meisten seiner Generation hat er diese Zeit als Aufbruch und echte Befreiung erlebt. Er wurde 1927 in Preßburg (Bratislava) geboren, hat also den Totalitari­smus des Ns-regimes noch sehr bewusst miterlebt. Einer Rekrutieru­ng zur Waffenss konnte er entgehen, indem er sich zur Feuerwehr meldete, die in der Zeit der laufenden Bombenangr­iffe auch eine wichtige Funktion hatte. Dann kam bald das erlösende Kriegsende.

In seinen Erinnerung­en schildert er, wie aufregend es damals war, alles das nachzuhole­n, was in der Ns-zeit verboten war,

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