„Österreich muss ein Rechtsstaat bleiben“
Das Thema ziviler Ungehorsam anlässlich der Aktionen einiger Murkraftwerksgegner regt Leser zu Gedanken über die Demokratie an.
psychologen ist schon interessant. Wenn einer, der selbst im öffentlichen Dienst steht, den Rechtsstaat infrage stellt, ist das starker Tobak. Denn nichts anderes tut Josef Zollneritsch, wenn er beklagt, dass man mit viel Geld das Sagen hat und Vorhaben also leichter verwirklichen kann. Eine solche Aussage von einem, der den Charakter unserer Jugend positiv beeinflussen soll, ist sehr bedenklich.
Was beschönigend „ziviler Ungehorsam“genannt wird, ist nur eine neue Form des Faustrechts. Wer sich genügend Securitys und Anwälte leisten kann, könnte ein Bauwerk auch ohne Bewilligung aufziehen. Umgekehrt könnte jedes behördlich genehmigte Projekt abgewürgt werden, wenn sich genügend Leute (und sei es auch für Geld) dagegen aufwiegeln lassen. Art des bürgerlichen Protestes gleichgesetzt, sofern er sich nur als halbwegs gewaltfrei erweist. Gewaltfreier Widerstand im Allgemeinen ist jedoch bei Weitem nicht automatisch ziviler Ungehorsam im Speziellen!
Hubert Patterer hat allen Ernstes behauptet, dass ziviler Ungehorsam eine Tugend in undemokratischen (!) Strukturen sei, jedoch keine Legitimität gegen den (demokratischen) Rechtsstaat besitze. Man muss den Begriff zwar nicht so restriktiv betrachten wie der große Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas, der diese Form des Protests ausschließlich auf demokratische Rechtssysteme eingrenzt. Aber die Besonderheit des zivilen Ungehorsams liegt eben darin, dass er gerade in demokratischen Rechtssystemen seinen Platz findet, nämlich dann, wenn sämtliche anderen rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um einen höheren sittlichen Zustand herzustellen. Der zivile Ungehorsam ergebe sich bei Habermas immerhin aus der Einsicht, dass selbst in demokratischen Systemen gesetzlich entsprechende Regelungen als illegitim eingestuft werden können. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind oft eine Farce, weshalb die Genehmigung eines Projektes logischerweise nicht das Ende des Widerstandes besiegelt. Beim Kraftwerk Puntigam hatten viele NGOS und Anrainer Parteienstellung, doch ihre Einsprüche wurden abgewiesen. Für die meisten Fachbereiche wurden Verschlechterungen festgestellt, dank Ausnahmegenehmigung darf trotzdem gebaut werden. Als überwiegendes öffentliches Interesse wird in Österreich immer der Wasserkraftwerksbau angenommen, auch wenn die Öffentlichkeit mit Demonstrationen und Unterschriften zeigt, dass dem nicht so ist. Wenn Politik und Kraftwerksbetreiber das Recht für sich selbst zurechtbiegen und sogar Volksbefragungen ablehnen, bleibt nur noch der zivile Ungehorsam als legitimes und wirksames Mittel der freien Meinungsäußerung.