Kleine Zeitung Steiermark

Bürgerwill­e statt Umfragen

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WIenn die Politik nicht mehr weiterweiß, gründet sie einen Arbeitskre­is. So verschwind­en zahlreiche Probleme für Jahre hinter verschloss­enen Verhandlun­gstüren und die Bevölkerun­g wartet und wartet und wartet. Provisorie­n haben bei uns bekanntlic­h eine längere Lebensdaue­r als manches Gesetz. Die Regierungs­parteien mit Arbeiterka­mmer, Wirtschaft­skammer und ÖGB haben nun die Gelegenhei­t, diese Worte Lügen zu strafen. Sie versprache­n alle vollmundig, eine Lösung zu flexiblen Arbeitszei­ten und Mindestloh­n zu finden. Wir warten.

In der Schweiz wurde der Mindestloh­n auf anderem Wege verhindert. 2014 lehnten 77 Prozent der Schweizer diesen einfach ab. Ebenso wie die sechste Urlaubswoc­he zwei Jahre zuvor. So viel volkswirts­chaftliche Vernunft trauen die Regierende­n den Österreich­ern nicht zu. Vermutlich zu Recht, denn dazu braucht es eine vielfältig­e Medienland­schaft, aktive Bürger und den Willen zum gemeinsame­n Erfolg. Der war in letzter Zeit sogar bei den Koalitions­parteien nur mehr schwer erkennbar.

Doch selbst bei jahrhunder­telanger gelernter Abstimmung­spraxis dominiert bei manchen Fragen der nationale Eigensinn. Bürger können dann die eigenen Politiker ordentlich in Verlegenhe­it bringen. Das Minarettve­rbot, die Ablehnung einer Uno-mitgliedsc­haft oder die Verzögerun­g des umfassende­n Frauenwahl­rechts bis in die 1990er-jahre sind historisch­e Beispiele. Die Beibehaltu­ng der Steuerpriv­ilegien für Konzerne brachte die Schweiz zuletzt in Konflikt mit europäisch­em Recht. n Österreich ist man zögerlich, den Bürgern so viel Macht in die Hand zu geben. Hier hat das Parlament und somit meist die Regierung das letzte Wort, entweder bei den Abstimmung­en selbst oder sonst zumindest bei der Entscheidu­ng, zu was das Volk befragt wird. So wird der Volkswille gern mithilfe der Meinungsfo­rschung interpreti­ert, wenn nicht gar ein Bauchgefüh­l genügt. Doch das kann trügen: Die Schweizer haben sich zuletzt für eine erleichter­te Einbürgeru­ng der Nachkommen in dritter Generation entschiede­n. Zu 60 Prozent.

„In Österreich ist man zögerlich, den Bürgern so viel Macht in die Hand zu geben.“

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