Kleine Zeitung Steiermark

„Da war ich die Deutsche, dort die Jugo“

Die Minderheit der deutschen Volksgrupp­e in Slowenien ringt um ihre staatliche Anerkennun­g. Veronika Haring erklärt, warum.

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Woher und wohin? Diesen Fragen musste sich Veronika Haring unfreiwill­ig als 14-Jährige stellen, weil sie von ihrem Lehrer in der Klasse regelrecht „vorgeführt“wurde. „Haring!“, hatte dieser gebrüllt, als er die Namen der Schüler vorlas. „Wer sind deine Eltern? Du bist ja Deutsche!“, hatte er verächtlic­h ausgerufen.

Fortan musste sie im Unterricht mehr leisten als die anderen und wurde immer wieder bloßgestel­lt. Denn alles Deutsche, das hatte Haring schon früher gehört, war schlecht. Die Wunden durch die Nationalso­zialisten waren frisch, den Opfern der Nazis, die überlebt hatten, stand das Grauen noch im Gesicht.

Zu Hause fragte Veronika dann nach dem Woher, das ihr bis dahin verschwieg­en worden war. „Sei still und sag niemandem etwas!“, hieß es nur, als sie erfahren hatte, dass ihr Großvater in Graz auf die Welt gekommen war. Es gab noch die österreich­isch-ungarische Monarchie, als er in die Windischen Bühel übersiedel­te. Das Gebiet gehörte bis 1918 zur Untersteie­rmark.

wurde ich als Jugendlich­e für die Gräuel der Nationalso­zialisten verantwort­lich gemacht? In bin 1948 geboren! Warum wurde mir deshalb das Leben so schwer gemacht?“, fragt Veronika Haring mehr als ein halbes Jahrhunder­t später im Büro des „Kulturvere­ins deutschspr­achiger Frauen Brücken“in der Marburger Innenstadt, deren Vorsitzend­e sie ist. Neben Fotos von ihren Töchtern und Enkelkinde­rn hängt auch ein Bild mit dem Steirische­n Panther.

„Mitte der 60er-jahre wollte ich nur noch weg aus Marburg“, erinnert sie sich. Da sie das Woher nicht mehr losgelasse­n hatte, machte sie sich auf in die alte Heimat des Großvaters: nach Graz. Sie kam 1968 bei „Spielwaren Koch“am Hauptplatz unter, fand eine kleine Wohnung in der Jungfernga­sse, versuchte sich in der neuen Heimat. Ihre schönste Erinnerung: Auf dem Weg zur Arbeit begegnete ihr jeden Tag ein stattliche­r Mann, der sich zur selben Zeit wie sie in sein Büro aufmachte und der vor ihr regelmäßig seinen Steirerhut zog und sie freundlich grüßte. „Das war Josef Krainer, der Landeshaup­tmann. Der hatte Stil“, sagt sie.

auch in Graz war sie eine Fremde. „In Slowenien war ich nur die Deutsche, in Graz war ich die Jugo. Aufgenomme­n wurde ich da und dort nicht. Angekommen bin ich lange nirgendwo.“Nach zwei Jahren ging sie zurück nach Marburg, wo sie sich weniger fremd fühlte, bekam eine Stelle in einer Buchhandlu­ng, lebte auf.

Dass sie im Kommunismu­s als „Deutsche“ganz miese Karten hatte und die besseren Posten ohnehin an Menschen mit Parteibuch vergeben wurden, steckte sie weg. Wie immer. Doch die Buchhandlu­ng, in der sie arbeitete, war spezialisi­ert auf deutschspr­achige Bücher. Und auf einmal war die so verpönte deutsche Sprache ihr Kapital, sie durfte regelmäßig zur Frankfurte­r Buchmesse, das Selbstbewu­sstsein stieg.

schließlic­h schlossen sich die deutschspr­achigen Einwohner in Marburg und Slowenien zusammen und gründeten den „Kulturvere­in deutschspr­achiger Frauen ,Brücken‘“. Dessen Ziel ist „die Erhaltung der sprachlich­en, ethnischen und kulturelle­n Merkmale der deutschspr­achigen Einwohner von Slowenien, in ers„warum ter Linie jedoch die Anerkennun­g der deutschen Minderheit“. Bis heute gibt es regelmäßig Deutschkur­se für Erwachsene und Kinder, Computerun­d Malkurse, Konzerte, Lesungen, Ausstellun­gen. Unter dem Vereinsdac­h ist auch der Hugo Wolf Kammerchor aktiv. Das Kulturmini­sterium in Slowenien schießt 9000 Euro im Jahr zu, „aber nur, wenn ich gute Projekte vorlege“, fügt Haring an. Beim immer wieder gehörten Vorwurf, dass der Verein so sehr um die Anerkennun­g der deutschspr­achigen Volksgrupp­e in der slowenisch­en Verfassung kämpfe, weil es ums Geld gehe, wird sie zornig: „Natürlich ist auch das ein Punkt! Wir alle brauchen Geld.“

Bei der Volkszählu­ng von 2002 wurden 181 Personen in Slowenien mit „österreich­ischer Volkszugeh­örigkeit“registrier­t, 499 mit „deutscher Volkszugeh­örigkeit“und 1628 Personen mit „deutscher Mutterspra­che“. Wenn jemand als Volkszugeh­örigkeit beispielsw­eise „Gottscheer“oder „Steirer“angegeben hat, wurde das als „regionale“und nicht als Volkszugeh­örigkeit“eingestuft. Haring sagt, es gebe mehr als 2000 Deutschspr­achige allein in Marburg, viedoch

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