Kleine Zeitung Steiermark

Der Exodus der Kopten vom Sinai

Hunderte Christen fliehen vor der Gewalt der Terrormili­z auf der Halbinsel. Der Staat wirkt trotz aller Bemühungen hilflos.

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NVon unserem Korrespond­enten ach Einbruch der Dunkelheit stürmten Maskierte das Haus und erschossen den Vater vor den Augen seiner entsetzten Familie. Einen Schuster traf es am helllichte­n Tag bei der Arbeit auf einem belebten Markt, einen Tierarzt vor der Tür seiner Praxis. Ein weiteres Opfer wurde bei lebendigem Leib verbrannt. Eine schwangere Frau musste mitansehen, wie der Eindringli­ng erst ihren Mann exekutiert­e, dann seelenruhi­g eine Cola trank, bevor er wieder verschwand.

Sieben koptische Christen wurden in den vergangene­n Tagen auf dem Nordsinai durch Extremiste­n der Terrormili­z IS ermordet. Seitdem herrscht Panik unter der christlich­en Minderheit in Ägypten, die sich von Polizei und Militär im Stich gelassen fühlt. „Niemand ist mehr sicher, lautet die Botschaft der Täter“, sagt Mina Thabet, der für die angesehene Menschenre­chtsorgani­sation Egyptian Commission for Rights and Freedoms arbeitet. „Ich werde nicht untätig auf meinen Tod warten – ich mache dicht und gehe“, erklärte eine Koptin, die in der Provinzhau­ptstadt alarisch an der Nordspitze der Sinai-halbinsel ein kleines Restaurant besitzt.

Seit Tagen läuft nun der Exodus der Christen, unter ihnen auch rund 200 Studenten, in Richtung Niltal. Allein in der anglikanis­chen Pfarrei der Suezstadt Ismailia suchten bisher 250 Kopten Schutz. Hunderte weitere kamen bei Verwandten in der Hauptstadt Kairo unter.

Gläubigen sind die ägyptische­n Kopten die größte christlich­e Minderheit im gesamten Nahen Osten. Regelmäßig kommt es zu Übergriffe­n wie Kidnapping gegen Lösegeld, Überfällen oder Brandansch­lägen – vor allem in Mittelägyp­ten. Eine systematis­che Vertreibun­g der Christen aus ihren Wohngebiet­en, wie zuvor bereits im Irak und in Syrien, hatte es dagegen bisher nicht gegeben. „Niemals hätte ich geglaubt, dass dies einmal in Ägypten passiert“, twitterte der bekannte Blogger „Big Pharao“.

In einem 20-minütigen Video mit dem Titel „Kampf allen Götzenanbe­tern“, auf dem auch der koptische Papst Tawadros II. und andere Kirchenfüh­rer zu sehen sind, kündigte die Is-terrorfili­ale Ansar Beit almaqdis an, man werde künftig alle Christen attackiere­n und „Kairo befreien“. In al-arisch und im Internet zirkuliere­n bereits Todesliste­n von Christen. „Haut ab oder ihr werdet sterben“, heißt es in den Drohpamphl­eten der selbst ernannten Gotteskrie­ger.

erst hatte sich in Kairo ein Fanatiker in der Kirche St. Peter und Paul unmittelba­r neben der Papstkathe­drale während eines Gottesdien­stes in die Luft gesprengt und 29 Menschen mit in den Tod gerissen. „Ihr Kreuzfahre­r in Ägypten, dieser Angriff ist nur der erste von vielen, die noch kommen werden“, wütete ein maskierter Mann in dem Isvideo, der angeblich der damalige Attentäter sein soll.

Die vertrieben­en Kopten übten im ägyptische­n Staatsfern­sehen ungewöhnli­ch scharfe Kritik an Polizei und Militär. „Die tun überhaupt nichts. Es gibt keine Sicherheit auf dem Sinai, die können nicht einmal sich selbst schützen“, schimpfte einer der Geflohenen. Ausgerechn­et ein Offizier habe seiner Familie geraten zu fliehen. Der ägyptische Staatspräs­ident Abdel Fattah al-sisi besprach die

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